Bauwelt

Städte ohne Menschen

Text: Landes, Josepha und Friedrich, Jan, Berlin

Städte ohne Menschen

Text: Landes, Josepha und Friedrich, Jan, Berlin

Im Dezember 2022 lieferte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im „Bericht zur Obdach- und Wohnungslosigkeit“ die ersten belastbare Zahlen der Situation. Demnach waren am 31. Januar 262.600 Menschen in Deutschland ohne eigene Wohnung, 38.500 ohne Obdach, lebten also gänzlich schutzlos: Eine Kleinstadt ohne Heimstatt. Eine Großstadt ohne Mietvertrag. Die Erhebung soll fortan alle zwei Jahre stattfinden. An den Stichtagen der Folgejahre stieg die Zahl derer, die das Angebot temporärer Unterkünfte nutzten von 178.000 auf 372.000 (2023) und schließlich 439.500 (2024) – Werte, die teils auf verbesserte Datenerhebung zurückzuführen sind, wohl oder übel ein an Schärfe gewinnendes Bild der Lage zeichnen. Im Juni debattierte der Bundestag erstmals einen „Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit“, seither beraten diverse Gremien unter Federführung des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen das weitere Vorgehen. Ziel ist es, dass alle Betroffenen bis 2030 ein „passendes Angebot“ erhalten – nicht vorübergehende, sondern langfristige Lösungen sollen her.
Wohnungslosigkeit ist eine Alarmglocke dafür, dass der Wohnungsmarkt aus dem Lot ist. Wenn Menschen, die arbeiten, wenn Familien mit Kindern, wenn junge Erwachsene oder Senioren auf Notunterkünfte angewiesen sind, dann fault die Gesellschaft. Keinen Wohnraum zu haben, bedeutet mehr als keinen Schlüssel im Schloss und kein eigenes Bett: Es fehlen auch eine Meldeadresse, ein Platz für Hausaufgaben, ruhiger Schlaf und medizinische Versorgung. Diese Unsicherheit wirkt sich auf die Persönlichkeit und das Miteinander von Menschen aus.
Wohnungslosigkeit ist ein wachsendes Problem auch in anderen Ländern. Viele Städte setzten jahrzehntelang Hoffnung in den freien Wohnungsmarkt, die im Rückblick fast rotlichtig naiv wirkt – laut Zensus standen am 15. Mai 2022 bundesweit rund 1,9 Mio. Wohnungen leer. Dass die strukturelle Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Deutschland 2030 tatsächlich der Vergangenheit angehören wird, ist so wahrscheinlich wie die Rettung des Klimas 2050. Wir schauen derweil auf Interim-Lösungen, die bereits in Funktion sind – Schlafstätten, Tageszentren und Wohnhäuser, zum Wiedererlernen eines Lebens mit Fixpunkt.
Eine Stadt für immer mehr Menschen
120.000 Einwohner hatte Riad, die Hauptstadt Saudi-Arabiens, im Jahr 1950. Heute sind es annähernd acht Millionen. Saudi-Arabien ist ein Land mit einer jungen Bevölkerung, also im Gegensatz zu Mitteleuropa keine Region, in der alles, was es braucht, schon gebaut ist. Die saudische Führung will die Wirtschaft diversifizieren, weg von der Abhängigkeit vom Öl. Dazu setzt sie auf städtebauliche Giga-Projekte. Planer aus dem Westen, vor allem auch aus Deutschland, sind seit langem im Land tätig. Wir schauen uns in dieser Ausgabe die Situation in Riad genauer an. Für alle, die in Saudi-Arabien tätig sind, ist klar: Jegliche Entwicklung dort findet ausschließlich top-down statt, das Land ist eine absolutistisch regierte Monarchie.

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