Bauwelt

Schadfrei und freudvoll

Die Chemnitzer Kunstsammlungen am Theaterplatz widmen zwei Ausstellungen der Frage nach gutem Design. Antworten liefern Kengo Kuma und Frei Otto in „Beyond Geometry“ und Designstudierende aus dem Erzgebirge mit „Schneeberger Geflecht“.

Text: Landes, Josepha, Berlin

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    Kengo Kumas Yusuhara Wooden Bridge Museum (2010) ...
    Foto: Takumi Ota

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    Foto: Takumi Ota

Schadfrei und freudvoll

Die Chemnitzer Kunstsammlungen am Theaterplatz widmen zwei Ausstellungen der Frage nach gutem Design. Antworten liefern Kengo Kuma und Frei Otto in „Beyond Geometry“ und Designstudierende aus dem Erzgebirge mit „Schneeberger Geflecht“.

Text: Landes, Josepha, Berlin

Am Abend der Ausstellungseröffnung schlendert ein alter, auf einen Stock gestützter Bergmann durch die „heiligen Hallen“, inspiziert Netzstrukturen und Seifenblasenskulpturen. Die Chemnitzer Kunstsammlungen am Theaterplatz beherbergen von April bis Juni zwei Schauen, die sich formal zwar stark unterscheiden, konzeptuell jedoch stabile Knotenpunkte aufweisen: „Beyond Geometry“ und „Schneeberger Geflecht“.
Im Obergeschoss, über der Bürgerlichen Sammlung um das Werk des Chemnitzers Karl Schmidt-Rottluff, sind zur Rechten des Treppenhauses Frei Otto (auch ein Chemnitzer) und Kengo Kuma (kein Chemnitzer) sowie zur Linken die Werkstätten der Fachhochschule für Angewandte Kunst Schneeberg (AKS) präsent – zwei Architekten mit globalem Renommee und eine Kunstgewerbeschule in erzgebirgischer Tradition.
In „Beyond Geometry“ trifft unter Schlagworten wie Transparenz, Leichtigkeit, Weichheit und Nachhaltigkeit Frei Ottos großes Hinterfragen konventioneller Bautechnik auf Kengo Kumas Liebe zur poetischen Baukunst. In Modellen, Fotografien und Zeichnungen führen ihre Ansätze einen fallbasierten Dialog. Bisweilen spannen die Bezüge über Kapitel hinweg: Da ist etwa unter dem Titel „Leichtigkeit“ ein Modell von Ottos fürs Münchner Olympiadach entwickelter Ultraleichtkonstruktion zu sehen – geknüpft aus Nylons, betitelt „Membranfläche mit Hoch- und Tiefpunkten, Augenförmige Schlaufen vermeiden Kraftkonzentrationen an den Aufhängungspunkten und sorgen für eine gleichmäßige Krafteinleitung in die Fläche“. Dem gegenüber rangieren Kumas Regenschirmhäuser, die sich in Windeseile errichten und auch wieder zurückbauen lassen, zwei Säle weiter zum Begriff „Nachhaltigkeit“.
Doch das Sich-Beziehen macht an der Tür nicht halt: Es dürfte nicht nur dem Ehrengast im Berghabit geschwant haben, dass sowohl Membranflächen mit Augenschlaufe als auch reißverschlossene Regenschirme ihre Schnittmenge mit der Angewandten Kunst haben. Die heute zur Westsächsischen Hochschule Zwickau gehörige Gestaltungshochschule in Schneeberg nahm ihre Anfänge vor 146 Jahren als „Königliche Spitzenklöppelschule“. Zum Textil gesellten sich in den 1960er Jahren Holzgestaltung, Mode und Musikinstrumentenbau. Die nun von Studierenden des 7. Semesters mit den Kunstsammlungen entwickelte Schau lässt in den pädagogisch-handwerklichen Prozess der Institution blicken, lädt die Besucher und Besucherinnen ein, nachzuempfinden, wie Lernen und Arbeiten an der AKS ineinandergreifen. Von Textil- und Holzwerkstätten produzierte Objekte können, sollen sogar, berührt werden, und Workshops laden ein, sie selbst herzustellen. Über allen drei Schwerpunkten auf dieser Etage schwebt die Frage, was gutes Design ausmacht. Thesen dazu kursieren viele. Aus dem Schneeberger Professorium heißt es auf Nachfrage spontan: „schadfrei und freudvoll“ sei erstrebenswert.
Chemnitz ist in diesem Jahr Europäische Kulturhauptstadt. Die Stadt ist nicht aus dem Ei gepellt, strotzt aber vor Potenzial. Um im Montanjargon zu bleiben, bietet sich das Bild der Silber­adern an, die sich zwischen sehr viel Gestein verzweigen. Und die Stollen reichen tief ins Umland. Die in der Welt beheimateten „Star-Architekten“ neben Lokalkolorit zu stellen (Frei Otto vielleicht ein wenig mehr als Chemnitzer zu labeln, als er tatsächlich war), liest sich als das Vorhaben, die These vom „Genie“ näher an einen kollektive Gestaltungsansatz zu rücken. Dass gutes Design, ob im Gebrauchsgegenstand, in Form weitspannender Tragwerke oder anhand von Nachnutzungsprojekten immer von Austausch, Hinterfragen und Neudenken profitiert, lässt sich in Chemnitz nachvollziehen – zunächst im Museum, bestenfalls demnächst auf den Straßen. Glück auf!

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