Das Werkstattverfahren Lustgarten in Potsdam
Seit Jahren wird in Potsdam um die Gestaltung des Lustgartens gestritten. Dieser Streit ist der Hintergrund eines aktuellen Werkstattverfahrens, in dem Aussagen über die Zukunft dieses Ortes formuliert werden sollen.
Text: Matthias Grünzig
Das Werkstattverfahren Lustgarten in Potsdam
Seit Jahren wird in Potsdam um die Gestaltung des Lustgartens gestritten. Dieser Streit ist der Hintergrund eines aktuellen Werkstattverfahrens, in dem Aussagen über die Zukunft dieses Ortes formuliert werden sollen.
Text: Matthias Grünzig
Der Konflikt um den Lustgarten hat viel mit der Geschichte des Ortes zu tun. Der Park wurde ab 1598 angelegt und ab 1695 zu einem Barockgarten umgestaltet. Seine Hauptattraktion war eine weite Aussicht, die vom Stadtschloss über den Templiner See bis zum Schloss Caputh reichte. Doch ab 1713 wurde der Lustgarten schrittweise zerstört. Zunächst erfolgte die Umwandlung in einen Exerzierplatz. Ab 1844 wurde mitten durch den Lustgarten die Eisenbahn Berlin - Magdeburg geführt, die Sichtachse zum Schloss Caputh war seitdem durch den Bahndamm verstellt. Auf dem abgeschnittenen südlichen Teil wurde 1914 die Kleingartenanlage „Hinzenberg“ angelegt.
Eine weitere Veränderung brachte der Bau des Hotels „Stadt Potsdam“ (heute „Mercure“) zwischen 1967 und 1969. Das von Sepp Weber entworfene Hochhaus war kein isoliertes Projekt, sondern es markierte das Herzstück eines größer angelegten Silhouettenkonzeptes, das dem als provinziell empfundenen Stadtbild einen großstädtischen Maßstab verleihen sollte. 2001 schließlich wurde neben dem Hotel ein neuer Lustgarten nach Entwürfen des Büros Dietz Joppien Landschaftsarchitekten (Frankfurt/Main) angelegt.
Über den Umgang mit dieser Geschichte wird seit Jahren gestritten. Auf der einen Seite steht das „Bündnis Potsdamer Mitte“, das eine möglichst umfassende Wiederherstellung des Zustandes von 1713 anstrebt. Für sie ist vor allem das Hotelhochhaus ein Störfaktor, der möglichst bald abgerissen werden sollte. Auf der anderen Seite gibt es die Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“. Sie betrachtet das Nebeneinander von Barock und Nachkriegsmoderne nicht als ein Problem, sondern als einen spannenden Kontrast.
Daneben gibt es noch eine dritte Gruppe, die den Abriss des Hotels aus pragmatischen Gründen ablehnt. Das „Mercure“ ist das einzige große Hotel in der Innenstadt und daher für den Tourismus unverzichtbar. Außerdem würde der Ankauf und Abriss des Hotels Millionen verschlingen, die an anderer Stelle fehlen würden. Beispielsweise sind schon jetzt viele Baudenkmäler im Potsdamer Welterbebereich akut gefährdet. Die „Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg“ beziffert den aktuellen Sanierungsbedarf auf eine Milliarde Euro, Tendenz steigend. Angesichts dieser Probleme halten gerade Denkmalpfleger das Hotelabrissprojekt für verantwortungslos.
Aus diesen Gründen ist ein Ankauf und Abriss des Hotels „Mercure“ derzeit höchst unpopulär. Bei einer Umfrage der „Märkischen Allgemeinen“ im Januar 2015 sprachen sich 86 Prozent gegen den Abriss aus. Ein ähnliches Bild bot sich bei der Abstimmung über den Bürgerhaushalt 2015/2016: Die Forderung „Kein Steuergeld für den Ankauf und Abriss des Hotels "Mercure"“ erreichte hier den dritten Platz. Dieser Stimmung trugen auch die Stadtpolitiker Rechnung. Im 2014 abgeschlossenen Kooperationsvertrag der in Potsdam regierenden „Rathauskooperation“ aus SPD, CDU und Bündnis 90/die Grünen wurde festgeschrieben, dass keine öffentlichen Gelder für den Ankauf und Abriss des Hotels ausgegeben werden sollen. Am 4. März 2015 wurde diese Position nochmals durch einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung bekräftigt.
Dass dennoch keine Beruhigung eintritt, hat vor allem mit dem Baudezernenten Matthias Klipp (Bündnis 90/Die Grünen) zu tun. Klipp setzt sich mit einem geradezu obsessiven Furor für den Hotelabriss ein und sorgt deshalb regelmäßig für Zerreißproben innerhalb der „Rathauskooperation“. Mit dieser Konfliktlage hängt auch das aktuelle Werkstattverfahren zusammen, das vor allem als Gegenleistung für die Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen zum Erhalt des Hotels beschlossen wurde.
Diese Rahmenbedingungen sollten sich für das folgende Verfahren als schwere Hypothek erweisen. Das Hauptproblem war, dass sein Ablauf nicht durch einen neutralen Akteur, sondern durch den Baudezernenten geplant wurde. Die Folge war ein Verfahren, bei dem vor allem Hotelgegner zum Zuge kamen. Zwar hatten die Bürger die Möglichkeit, auf öffentlichen Werkstattgesprächen, in einem Onlineforum und in einer Infobox im Lustgarten ihre Meinung zu äußern. Doch anschließend wurden die Bürgermeinungen weitgehend ignoriert. Beispielsweise sprachen sich im Onlineforum nur 9 Prozent für den Abriss des Hotels aus, während 20 Prozent explizit für seinen Erhalt stimmten. Dieses Votum wurde im folgenden Verfahren völlig ausgeblendet. Stattdessen wurde eine Aufgabenstellung formuliert, die eigentlich nur durch den Abriss des Hotels umsetzbar war.
Ähnlich willkürlich war das Programm der Veranstaltungen. Auf dem ersten Werkstattgespräch am 29. September 2014 gab es zwar zwei Vorträge von Hotelgegnern, aber keine Beiträge zur Geschichte und Bedeutung des Hotelhochhauses. Intransparent verlief zudem die Auswahl der sieben Teams aus Architektur- und Landschaftsplanungsbüros, die mit Entwürfen für den Lustgarten beauftragt wurden, sowie des Gutachtergremiums.
Dennoch ist das Ergebnis kaum eine Werbung für den Hotelabriss. Zwar lieferte das Team kleyer.koblitz.letzel.freivogel gesellschaft von architekten mit geskes.hack Landschaftsarchitekten (Berlin) einen Entwurf, der sich sehr stark um eine Annäherung an den Zustand von 1713 bemüht. Er sieht sowohl den Abriss des Hotels als auch die Wiederherstellung barocker Gartenstrukturen vor. Allerdings zeigt diese Planung vor allem die Unmöglichkeit dieses Unterfangens. So wird auch ihr Entwurf nicht den so wichtigen Blick auf den Templiner See bieten, weil der Bahndamm auch weiterhin eine unüberwindbare Barriere bilden wird.
Einen Kontrapunkt setzten dagegen zwei Teams, die sich den Vorgaben des Baudezernenten verweigerten. Die Teams Machleidt GmbH - Städtebau Stadtplanung mit ATELIER LOIDL Landschaftsarchitekten (Berlin) und WES (Berlin) mit scheuvens + wachten (Köln) präsentierten Entwürfe, die sowohl den Erhalt als auch den Abriss des Hotels ermöglichen. Die Entscheidung über diese Frage wollen sie der Potsdamer Bevölkerung überlassen.
Nach den bisherigen Debatten erscheint es allerdings fraglich, dass Baudezernent Klipp diese Lösung akzeptieren wird. Der von ihm gewünschte Ankauf und Abriss des Hotels dürfte andererseits auch nicht durchsetzbar sein. Daher könnte sich das Verfahren am Ende als ein teurer Flop ohne Ergebnis erweisen.
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