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Selbstexport

Oliver Thill vom Atelier Kempe Thill, Rotterdam, über Architekten, Kakerlaken und das Arbeitsfeld Europa

Text: Winterhager, Uta, Bonn

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    André Kempe (links) und Oliver Thill auf dem Gelände der Van-Nelle-Fabrik in Rotterdam, wo sie ihr Büro haben
    Foto: Frank Hanswijk

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    André Kempe (links) und Oliver Thill auf dem Gelände der Van-Nelle-Fabrik in Rotterdam, wo sie ihr Büro haben

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    Jugendzentrum Osdorp, Amsterdam
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    Jugendzentrum Osdorp, Amsterdam

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    Studentenwohnheim HipHouse in Zwolle, Nieder­lande (Bauwelt 47.2009)
    Foto: Ulrich Schwarz

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    Studentenwohnheim HipHouse in Zwolle, Nieder­lande (Bauwelt 47.2009)

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    Franz-Liszt-Konzerthaus in Raiding, Österreich (Bauwelt 37.2006)
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    Franz-Liszt-Konzerthaus in Raiding, Österreich (Bauwelt 37.2006)

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    Parlament der deutschsprachigen Minderheit in Eupen, Belgien (Bauwelt 8.2014)
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    Parlament der deutschsprachigen Minderheit in Eupen, Belgien (Bauwelt 8.2014)

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    Rathaus Borsele, Niederlande (Bauwelt 45.2014)
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Selbstexport

Oliver Thill vom Atelier Kempe Thill, Rotterdam, über Architekten, Kakerlaken und das Arbeitsfeld Europa

Text: Winterhager, Uta, Bonn

Nachdem André Kempe und Oliver Thill Europan 5 mit ihrem Entwurf von 300 Wohneinheiten für den Kop van Zuid in Rotterdam gewonnen hatten, eröffneten sie im Jahr 2000 dort ihr Büro. Der Fortgang aus Deutschland zu einer Zeit, als junge Architekten kaum den Schritt in die Selbstständigkeit wagen konnten, erwies sich als erfolgreich, betrachtet man den Werdegang des Büros. Doch ein Ausland reicht den beiden Sachsen nicht aus, um stabil arbeiten zu können: Die Basis in Rotterdam ist längst mit Orten und Aufträgen in ganz Europa verbunden. Uta Winterhager traf Oliver Thill in der Peter Behrens School of Architecture in Düsseldorf, wo er und sein Partner im Rahmen einer einjährigen Gastprofessur das Masterstudio leiten.
Ist es Ihnen unangenehm, über Ihren Erfolg zu sprechen?
Nein. Darüber habe ich allerdings auch nachgedacht, denn im Leben eines Architekten gibt es ja gar nicht so viele Erfolge.
Vielleicht sollten wir gerade deshalb darüber reden?
Wirklich viel zu erzählen gibt es da nicht.
Ach, schade.
Es gibt das Bild des erfolgreichen und glamourösen Architekten. Aber in der Realität musste ich feststellen, dass die Momente von Erfolg und Glamour sehr kurz sind. Leute, die zu uns ins Büro kommen und etwas Supertolles erwarten, lauter verrückte Sachen, versuche ich immer zu bremsen. Und auch wenn es gut läuft, muss man immer auf der Hut sein, dass nicht hinter der nächsten Ecke einer mit einem Knüppel in der Hand steht, der einen von den Beinen holt – es ist gar nicht so einfach, erfolgreich zu bleiben.
Sie und André Kempe sind Sachsen, haben Ihr Diplom an der TU Dresden gemacht und schon während des Studiums jede Möglichkeit genutzt, sich Auslandsaufenthalte zu organisieren. Was war damals los in Dresden?
Dresden war gar nicht so schlimm. Aber wir sind bis zur Wende hinter der Mauer festgehalten worden, und danach konnten wir uns plötzlich frei bewegen. Vor der Wende waren wir zwar auch schon viel unterwegs,  allerdings nur in Osteuropa. Während des Studiums boten sich uns dann neue Möglichkeiten in Paris, Wien und Tokyo. Als Architekt läuft man den Möglichkeiten immer hinterher. Das lernt man aus der Architekturgeschichte: Wenn man als Architekt überleben will, muss man sich wie ein Kakerlake der Arbeit hinterher bewegen.
1999 haben Sie dann Europan 5 gewonnen. Es ging um den Neubau von 300 Wohnungen in Rotterdam. Hatten Sie damals schon eine Vorstellung davon, wo Sie arbeiten wollten?
Nein, aber wir haben uns, als wir 1996 mit dem Studium fertig waren, überlegt, dass wir woanders hin wollten. Es gab einige Optionen, auch Berlin oder die Schweiz. Aber weil wir in Holland ein paar Leute kannten, wollten wir es dort einfach mal probieren. Denn zu dem Zeitpunkt war die ökonomische Situation in Holland so güns-tig, dass unheimlich viel gebaut wurde und es auch sehr gute Chancen für junge Architekten gab. Schon nach einem Jahr hat uns jemand einen Auftrag angeboten.
Was war Ihre große Chance?
Es gab letztendlich eher viele kleine. Obwohl sich auch bestimmte Sachen, die wir gerne gemacht hätten, nicht erfüllt haben. Gut ist es immer, ein Netzwerk aufzubauen, viel zu säen, dann passiert ab und zu mal was.
Haben Sie von Anfang an „groß“ gedacht?
Architektur ist für uns vor allem eine öffentliche Disziplin, deshalb müssen die Sachen eine strategische Größe haben, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Gar keine Lust hatten wir darauf, irgendwelche Einfamilienhäuser zu bauen.
Nur wenn es 300 auf einmal waren?
Ja! Es war von Anfang an unser Ziel, eine bestimmte Projektgröße anzustreben, um so arbeiten zu können, wie wir uns das vorstellten.
Viele Ihrer Gebäude charakterisieren unkonventionelle Ansätze und experimenteller Materialeinsatz. Ist es in den Niederlanden einfacher als in Deutschland, so zu arbeiten?
Das ist ein Missverständnis. Es ist nicht so, dass wir das bewusst anstreben; es ist einfach das Umfeld, das sich auf die Projekte auswirkt. Wenn wir Aufträge in gut situierten Lagen bekämen, würden wir wahrscheinlich gediegene konventionelle Sachen machen und mit Naturstein bauen. Aber das Umfeld ist heute in Europa eigentlich überall schlecht. Wenn man etwas machen will, das irgendwie ein bisschen an die Grandeur der Vergangenheit anschließt, muss man Typolo-gien und Techniken radikal überdenken. Eigentlich sind wir auf der Suche nach einem möglichen Klassizismus für das 21. Jahrhundert.
Hatten die beiden Sachsen in Rotterdam einen „Exotenbonus“? Das Alleinstellungsmerkmal, das viele Kollegen so verzweifelt suchen?
Zu dem Zeitpunkt gab es in Holland relativ viele Ausländer, auch Deutsche, die dort Büros gegründet haben, da waren wir nicht die einzigen. Als Deutsche hatten wir aber eine spezielle Rolle, weil es ein Bild gibt, wie Deutsche sind. Das kann man dann bedienen oder eben nicht.
Wie haben Sie es gemacht?
Wir bedienen das Bild eher, da wir auf eine bestimmte Art sehr deutsch sind und uns auch sehr mit der deutschen Architekturtradition identifizieren.
Welche Hürden stellten sich Ihnen in den Weg, anders als den niederländischen Kollegen?
Das lässt sich schwer einschätzen. Ich würde eher sagen, dass wir damals nichts als Hürde wahrgenommen haben.
Inzwischen gelten Sie als niederländisches Büro. Ist der Standort eigentlich noch wichtig?
Durchaus. Nicht zuletzt, weil man vor Ort sein Personal rekrutiert. Als wir in Rotterdam angefangen haben, gab es dort eine blühende Architekturkultur, wir bekamen unheimlich viel Input und immer sehr gute Mitarbeiter. Mittlerweile ist Holland von der Spitze wieder etwas in die Provinz abgerutscht, das Rad hat sich einmal gedreht. Das merkt man vor allem daran, dass viele Institute weggebrochen sind und es dadurch leider viel weniger Austausch innerhalb der Architekturszene gibt. Wir sind trotzdem noch da, einiges passiert ja auch noch.
Aber Sie haben auch ein Büro in Paris?
Na ja, das ist vorerst nur eine Adresse.
Ist es gut, eine Adresse in Paris zu haben?
Auch dafür gibt es Gründe. Aber unser Standort in Holland ist derzeit noch in Ordnung, auch wenn wir – und das ist schon ein wenig absurd – derzeit sehr wenig in Holland bauen.
Das heißt, Sie könnten auch woanders sein?
Wir hatten überlegt umzuziehen, zum Beispiel nach Brüssel, aber das machen wir doch nicht.
Warum nicht?
Rotterdam ist schon okay, der Flughafen ist in der Nähe, man ist schnell überall, und es ist relativ günstig.
Sehen Sie sich selbst als ein niederländisches Büro?
Weil wir so lange hier gearbeitet haben, sind wir natürlich sehr durch den niederländischen Kontext geprägt. Es gibt da so einen gewissen holländischen Habitus. Allerdings erwirtschaften wir zur Zeit 65 Prozent unseres Umsatzes in Belgien, außerdem haben wir noch Projekte in Deutschland, Holland, in der Schweiz, in Frankreich, in Marokko. Und in Österreich arbeiten wir an mehreren Studien.
Jeder Standort, jede Bauaufgabe erfordert gerade im Wohnungsbau große Sensibilität und genaue Kenntnis der lokalen Kultur und Gesellschaft, ganz zu schweigen von Gesetzen und Verwaltungsstrukturen. Anders als die internationalen Stararchitekten, die überall auf den Welt „einen Meier“  bauen, kommen Sie zu sehr spezifischen Lösungen. Wie gehen Sie vor?
Heutzutage kann man so kaum mehr bauen. Wir haben Mitarbeiter aus sieben oder acht verschiedenen Ländern und versuchen immer, die Leute in die Projekte in ihren Heimatländern einzubinden. Außerdem suchen wir uns lokale Partner. Den Architekturexport, den es noch in den achtziger Jahren bei Foster oder Meier gab, gibt es so kaum noch. Es ist heute eher gewünscht, dass man sich auf den Kontext einlässt. Wir haben bestimmte typologische Lösungsansätze, versuchen aber immer, auch lokale Faktoren wie die vor Ort vorhandenen baukulturellen Traditionen einfließen zu lassen.
„Spezifische Neutralität“ ist der Titel eines von Ihnen herausgegebenen Manifests zum Wohnungsbau. Trifft das ganz allgemein auf Ihre Arbeitsweise zu?
Das machen wir immer noch, wir machen eigentlich immer das Gleiche.
Aber immer anders?
Es geht immer um Neutralität, das ist heute etwas total Bestimmendes. Alles muss flexibel, verkaufbar, vermietbar sein. Es gibt keine Permanenz mehr. Das muss man als Architekt erst mal bedienen, und dann stellt sich die Frage, wo das Spezifische herkommt. Das muss sich aus unserer Sicht am Rande der Neutralität manifestieren oder besser noch aus der Neutralität selbst kommen. Die Neutralität ist eine sehr spezifische kapitalistische Eigenschaft. Heute ist die Vermarktung zur Basis unseres Berufs geworden – das war früher anders.
Ende der neunziger Jahre sind viele junge Architekten vor der Krise ins Ausland geflüchtet.
Ist das immer noch ein guter Weg zu einer erfolgreichen Bürogründung?

Es macht immer noch Sinn, aber zurzeit nicht in Holland. Es gibt aber Länder, in die man gehen könnte. Die Situation verändert sich halt ständig. Wir versuchen das auszugleichen. Holland war für ein paar Jahre gut, da war es in Deutschland schlecht. Zehn Jahre lief es in Belgien super, jetzt wird es da weniger, dafür kommt in Deutschland wieder der Wohnungsbau. Da muss man ein bisschen manövrieren. Die Ökonomie ist wie eine Pistole am Kopf. Wir sind nicht nur im Ausland, weil es uns Spaß macht. Wenn man auf eine bestimmt Art und Weise arbeiten will, entstehen auch Zwänge, denen man sich fügen muss.
Was macht für Sie Erfolg aus? Portfolio, Preise, Lehraufträge, Titel, Publikationen, Zahlen?
Für uns ist das Wichtigste, dass wir das machen können, was uns bewegt und Spaß macht.
Wird der Erfolg irgendwann zum Selbstläufer?
Nein, so ist es nicht. Es gibt diesen Widerspruch zwischen dem Bild, das man abgibt, und der inneren ökonomischen Realität, die sehr hart ist. Da geht es schlicht ums Überleben und darum zu vermeiden, dass man Sachen machen muss, zu denen man keine Lust hat. Wenn man es hinbekommt, dass man relativ authentisch durchs Leben kommt, ist das schon ganz gut, auch wenn man ab und an einen Auftrag verliert.

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