Bauwelt

Seht her: Ein Gebäude, das wir gerettet haben und nutzen!

Naseer Arafat über Denkmalschutz unter Extrembedingungen

Text: Mühlbauer, Lore, München

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    Nablus, 2000 Jahre alt, mit über 160 Denkmalen und Denkmalensembles
    Foto: Uwe a/Wikimedia Commons

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    Nablus, 2000 Jahre alt, mit über 160 Denkmalen und Denkmalensembles

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    Naseer Arafat Architekt und Planer, er leitete eine Reihe von Denkmalschutz-Projekten in Palästina, u.a. das Forschungs-Team des „Nationalen Registers historischer Gebäude in Palästina“ aus 136 Architekten und Architekturstudenten

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    Naseer Arafat Architekt und Planer, er leitete eine Reihe von Denkmalschutz-Projekten in Palästina, u.a. das Forschungs-Team des „Nationalen Registers historischer Gebäude in Palästina“ aus 136 Architekten und Architekturstudenten

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    Details historischer Bauten, Nablus. L.: „homeless doors“
    Foto: Naseer Arafat

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    Details historischer Bauten, Nablus. L.: „homeless doors“

    Foto: Naseer Arafat

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    Foto: Qais Assali

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Seht her: Ein Gebäude, das wir gerettet haben und nutzen!

Naseer Arafat über Denkmalschutz unter Extrembedingungen

Text: Mühlbauer, Lore, München

Herr Arafat, Sie arbeiten als Architekt und Quartiersmanager in der historischen Stadt Nablus, wo während der Zweiten Intifada, 2003, Tausende Bauten zerstört wurden. Wie hat das Ihre Arbeit als Architekt beeinflusst?
Während der Kämpfe wurde nahezu jedes Gebäude in der Altstadt beschädigt, 200 wurden vollständig zerstört. Der erste Einmarsch israelischer Truppen in Nablus lief bei den Israelis unter dem Titel „Know your neighbour“ – „Kenne deinen Nachbarn“. Das sollte heißen, du kannst nicht wissen, wer oder was aus dem Haus deines Nachbarn kommt. Die Soldaten sprengten Öffnungen in die Wände, um auf „sicheren“ Wegen direkt durch die Häuser vorzurücken, ohne die Straße benutzen zu müssen. In Verbindung mit den Bombardements wurden so schätzungsweise 4000 Gebäude beschädigt. Für einen Architekten bestand die dringendste Aufgabe – ob im Auftrag der Stadtverwaltung oder der Zivilgesellschaft – darin, den Bewohnern wieder ein Dach über dem Kopf zu geben.
Trotzdem waren Sie auch sofort nach Ende der Kämpfe im Denkmalschutz aktiv. Wie kann man sich das vorstellen?
Nablus ist eine 2000 Jahre alte Stadt mit über 160 Einzeldenkmalen und Denkmalensembles. Ich sehe mich als Anwalt des Denkmalschutzes und engagiere mich dafür, dass Nablus UNESCO-Weltkulturerbe wird. Daher durchsuchte ich gemeinsam mit Hausbesitzern und jungen Leuten die Trümmer nach historischem Material und organisierte die Lagerung. Das hatte eine Reihe nützlicher Aspekte: Es spart Geld, aber es entstehen auch Arbeitsmöglichkeiten, das Kulturerbe wird geschützt und bürgerschaftliches Engagement angeregt. Und natürlich wollten wir auch den Besatzern zeigen, dass wir hier bleiben und als Nachbarn beim Wiederaufbau zusammenarbeiten.
Was konnten Sie retten?
Wir sammelten historische Steine, um Mauern wieder ein authentisches Aussehen zurückzugeben, aber auch farbige Bodenfliesen mit historischen Dekors, wertvolle alte Steinplatten und die Türen der zerstörten Häuser.
Was geschah mit dem Material?
Soweit wie möglich wurde es bei den Häusern, die wieder aufgebaut oder restauriert wurden, eingesetzt. Mit den geborgenen Türen haben wir einen Kunst-Workshop veranstaltet, in dem Jugendliche die Türen bemalt haben. Dieses „homeless doors“-Projekt wurde als eine Art Befreiung empfunden, persönlichen Erfahrungen Ausdruck verleihen zu können. Zugleich gab der künstlerische Umgang den alten Türen ein neues Leben. Einige wurden nach dem Wiederaufbau an alter Stelle wieder eingesetzt, andere in Häuser im Ausland eingebaut.
Unter anderem haben Sie in der historischen Altstadt eine traditionelle Olivenöl-Seifenfabrik restauriert, die Sie nun als Kulturzentrum nutzen. Was war Ihnen dabei wichtig?
Wir sehen in der Seifenfabrik eine Art Industriemuseum, die Bewahrung einer alten Produktionsstätte, von der Herstellung der Seife bis zu ihrer Verpackung in eigens entworfenen Schachteln. Den Einbau von Teilen zerstörter Häuser – neben Türen und Fliesen haben wir z.B. auch alte, halbrunde Tonziegel als Lampenschirme verwendet – und die gleichzeitige technische Ertüchtigung sehe ich als Aufwertung des 400 Jahre alten Gebäudes. Es sendet eine landesweite Botschaft: seht her, ein Gebäude, das gerettet wurde und genutzt wird, wo doch zur selben Zeit so viele andere Gebäude zerstört wurden.
Um die historische Altstadt herum wird immer dichter gebaut. Welche Entwicklung sehen Sie für Nablus?
Das ist die große Frage. Wenn ich pessimistisch sein wollte, würde ich sagen, das liegt nicht allein in der Hand der Palästinenser. Wenn ich aus meiner beruflichen Perspektive antworte, muss ich sagen: Nablus ist sehr dicht bebaut, mit gleichzeitig großen Mängeln in der technischen Infrastruktur, das schafft zunehmend auch soziale Probleme. Die Bevölkerung wächst, aber die israelische Regierung erlaubt es nicht, die Stadt über ihre derzeitigen Grenzen hinaus auszudehnen. So kann es keine professionelle Planung ohne den Blick auf die große Politik geben. Der Schlüssel für eine Entwicklung im Wohlstand wäre ein Ende der Besatzung. Aber auch unterhalb dessen gibt es natürlich kleine Schritte, auch mit internationaler Unterstützung. Z.B. hat die deutsche Entwicklungsorganisation GIZ die städtische Wasserversorgung erneuert, und eine deutsche Stiftung hat ein System bezahlt, das unser Abwasser recycelt, sodass wir es in der Landwirtschaft nutzen können. Es gibt immer Arbeiten an einer besseren Zukunft.
Fakten
Architekten Arafat, Naseer, Nablus
aus Bauwelt 34.2015
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