Bauwelt

Wir bleiben immer bei einer unverkennbaren Idee

Christian Marquart im Gespräch mit Jacques Herzog von Herzog & de Meuron zur Fertigstellung der Elbphilharmonie

Text: Marquart, Christian, Stuttgart

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Jacques Herzog geb. 1950 in Basel. Architekturstudium an der ETH Zürich. 1978 Gründung des Büros Herzog & de Meuron.
Foto: Maxim Schulz

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Jacques Herzog geb. 1950 in Basel. Architekturstudium an der ETH Zürich. 1978 Gründung des Büros Herzog & de Meuron.

Foto: Maxim Schulz


Wir bleiben immer bei einer unverkennbaren Idee

Christian Marquart im Gespräch mit Jacques Herzog von Herzog & de Meuron zur Fertigstellung der Elbphilharmonie

Text: Marquart, Christian, Stuttgart

Herr Herzog, im Oktober kündigten Sie an, als Architekt nun gegenüber dem vollendeten Projekt Elbphilharmonie „treulos“ werden zu müssen. Wie ist das zu verstehen?
Treulos ist ein starkes Wort. Das heißt, man musste zuvor einst treu gewesen sein, eng verbunden, ständig im Kontakt, ja sogar abhängig voneinander. Und genau so ist das Verhältnis zwischen Architekt und Projekt. Ohne diese Verbundenheit und intensive Beschäftigung damit, was ein Projekt einst werden sollte, entsteht keine Architektur, wie wir sie uns vorstellen. Später entfernt man sich voneinander, man wird einander gar fremd, jedenfalls empfinde ich das persönlich so. Wie ein Abstoßen, eine Art Gleichgültigkeit vielleicht. Was nun so schrecklich ego­istisch tönt, ist aber wichtig, damit man sich anderen Projekten zuwenden kann. Und das Projekt ist ja nicht mehr Projekt, es ist erstarrt, zu Architektur geworden, es braucht den Schöpfer-Architekten nicht mehr, es ist nun für alle da, es ist Teil der Stadt geworden und muss für sich alleine funktionieren. Nur dafür wurde die Architektur geschaffen und nicht für den Autor, der dahinter steht.
Im gleichen Kontext problematisierten Sie die Rolle der Bauherrschaft: Städte seien dafür weder „gemacht“ noch hinreichend für diese Aufgabe aufgestellt. Wie stellt sich ein Architekturbüro darauf ein?
Projekte dieser Größenordnung müssen richtig aufgestellt sein, sodass die Planungsprozesse von Beginn weg möglichst reibungslos funktionieren. Nun meint man, das sei ja selbstverständlich. Das ist aber eine große Herausforderung, und oft sind Bauherrschaften und Architekten damit überfordert. Das ist nicht nur eine rein technische Frage, sondern da braucht es erfahrene und kreative Leute, weil jedes Projekt wieder andere Anforderungen stellt.
Lange vor Fertigstellung des Projekts war abzusehen, dass die Begeisterung über das Haus jeden Unmut über die Kostenentwicklung und die lange Realisierungsphase zum Verstummen bringen würde. Keinem Akteur gelang es, die Architekten – wie sonst üblich – erfolgreich als Verursacher aller Probleme und Konflikte in Misskredit zu bringen. Wieviel Kraft kosten solche Konflikte?
Das waren gewiss keine einfachen Momente, aber sie waren lehrreich, und wir neigen nicht dazu, uns zu beklagen, sondern uns auf das Mach­bare zu fokussieren. Wir haben immer daran geglaubt, das Projekt zu einem guten Ende zu bringen.
Eine besondere Qualität der Elbphilharmonie sehe ich in der engen Verschränkung architektonischer und städtebaulicher, stadträumlicher Konzepte – einer großen, starken, integralen Planfigur. Ist diese doppelte Codierung eines Gebäudes als Architektur einerseits und Stadtbaustein andererseits ein Effekt, der sich in Hamburg eben anbot – oder ist das ein Ziel, das Sie bei Ihren Projekten grundsätzlich im Auge behalten?
Jedes Projekt ist zugleich „offen“ und „geschlossen“ – das heißt, es hat eine öffentliche, sicht­bare oder gar für alle zugängliche Seite und eine private, für eine spezifische Bauherrschaft und einen spezifischen Zweck gebaute Funktion. Wir verstehen jedes Projekt als „Architektur der Stadt“ im Sinne unseres einstigen Lehrers Aldo Rossi. Bei großen öffentlichen Bauten wie der Elbphilharmonie, einem Museum wie M20 in Berlin (Bauwelt 40.2016) oder der Tate Modern in London (Bauwelt 30.2016) ist uns die Funktion als öffentliche Plattform für Alle ein besonderes Anliegen. Dieses städtebauliche Leitmotiv durchdringt und formt unsere Architektur.
Ihr erster Auftraggeber, Alexander Gérard, entwickelte seine Projektidee auf Basis der Annahme, der Bau des Konzerthauses könne sich weitestgehend finanzieren lassen durch einen „Mantel“ an gediegenen, renditestarken kommerziellen Nutzungen. Mit steigenden Bau­kosten musste dieser Mantel dann üppiger ausgelegt werden. Hat Sie das zeitweise in Schwierigkeiten gebracht?
Die kommerziellen Funktionen sind Teil des Projekts wie in einer Stadt. Das ist völlig ok. Wir selbst haben aber nie solche Rechnungen einer Querfinanzierung angestellt.
Fakten
Architekten Herzog, Jacques, Basel; Herzog & de Meuron, Basel
aus Bauwelt 2.2017
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