Bauwelt

Fragen Sie lieber, welches Problem wir nicht hatten!

Jack Nassar über die Herausforderung, eine New Town in einem Krisengebiet zu bauen

Text: Mühllbauer, Lore, München

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    Rawabi ist ein Projekt des palästinensischen Geschäftsmanns Bashar Masri, der auch in Banken, Medien, Werbung, Technologie, Landwirtschaft und Infrastruktur in Palästina investiert
    Foto: Rawabi

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    Rawabi ist ein Projekt des palästinensischen Geschäftsmanns Bashar Masri, der auch in Banken, Medien, Werbung, Technologie, Landwirtschaft und Infrastruktur in Palästina investiert

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    Jack Nassar studierte Betriebswirtschaft in Bir Zait, danach u.a. zuständig für „Gaza Nothilfe und Wiederaufbau“ im Büro des palästinensischenPremiers; seit Ende 2009 leitet er das Büro von Bashar Masri, dem Vorstandschef von Massar International

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    Jack Nassar studierte Betriebswirtschaft in Bir Zait, danach u.a. zuständig für „Gaza Nothilfe und Wiederaufbau“ im Büro des palästinensischenPremiers; seit Ende 2009 leitet er das Büro von Bashar Masri, dem Vorstandschef von Massar International

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    Um das Amphitheater soll eine große Park- und Freizeitanlage entstehen.
    Foto: Rawabi

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    Um das Amphitheater soll eine große Park- und Freizeitanlage entstehen.

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    Das Stadtzentrum ist autofrei.
    Foto: Rawabi

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    Das Stadtzentrum ist autofrei.

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    Die dichte Bebauung wird durch eine Vielzahl von Terrassen aufgelockert, die noch begrünt werden
    Foto: Rawabi

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    Die dichte Bebauung wird durch eine Vielzahl von Terrassen aufgelockert, die noch begrünt werden

    Foto: Rawabi

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    Die Gestaltung des Straßenraums orientiert sich an ortsüblichen Details
    Foto: Rawabi

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    Die Gestaltung des Straßenraums orientiert sich an ortsüblichen Details

    Foto: Rawabi

Fragen Sie lieber, welches Problem wir nicht hatten!

Jack Nassar über die Herausforderung, eine New Town in einem Krisengebiet zu bauen

Text: Mühllbauer, Lore, München

Herr Nassar, Rawabi, neun Kilometer nördlich von Ramallah, ist die erste geplante Stadt in Palästina. Wie kam es zu der Idee?
Ich hatte schon Erfahrungen mit dem Siedlungsneubau in Marokko, Jordanien und Ägypten –
allerdings in wesentlich kleineren Dimensionen. Die akute Wohnungsnot in Palästina ließ mich in größeren Maßstäben denken. Und es lag auf der Hand, dass ein privatwirtschaftliches Projekt dieser Größenordnung der palästinensischen Wirtschaft ordentlich Auftrieb geben würde.
Welchen Problemen sahen Sie sich gegenüber?
Fragen Sie lieber nach einem Problem, das wir nicht hatten. Ein Projekt wie Rawabi wäre in jeder reifen Volkswirtschaft nichts Besonderes – weil man über eine Auswahl an Baumaterial zu kalkulierbaren Preisen, störungsfreie Lieferungsketten, selbstverständlichen Zugang zu Strom und Wasser, Just-in-time-Anlieferung, einen großen Pool von Arbeitskräften und gute Verkehrsinfrastruktur verfügt. Nichts davon haben wir in Palästina. Die Voraussetzungen für den Bau einer Stadt waren nur abschreckend. Wir entschieden uns dennoch dafür, uns an die Arbeit zu machen.
Was war die größte Herausforderung?
Die Wasserversorgung! Zunächst hat sie den Bauprozess jahrelang verlangsamt, später eine monatelange Verzögerung bei den Einzügen verursacht. Jetzt haben wir aber die nötigen Bewil-
ligungen erhalten, um die ersten Bewohner begrüßen und die Arbeiten fortsetzen zu können.
Was sind die Grundzüge des Entwurfs?
Wir wollten eine Stadt bauen, die auf eigenen
Füßen steht, deren Bewohner dort arbeiten und
ihre Freizeit verbringen können. 23 Wohnquartiere für insgesamt 40.000 Einwohner gruppieren sich um einen gemischt genutzten Stadtkern, der Fußgängern vorbehalten ist. Das ist vergleichbar mit Reston bei Washington oder Columbia in Maryland, zwei New Towns, die ich entstehen sah, als ich in den USA lebte.
Worin unterscheidet sich Rawabi von der sonst in Palästina üblichen Bebauung?
Bei unserem rapiden Bevölkerungswachstum können wir nicht einfach in die Fläche wachsen. Das trifft überall zu, besonders aber in einem besetzten Land wie Palästina. Wir müssen das bestmögliche aus dem Land machen, auf das wir Zugriff haben. Darin liegt auch eine Chance. Die Notwendigkeit einer effizienten Landnutzung hat einen für diese Gegend spektakulären, verdichteten Stadtentwurf hervorgebracht.
Wie kamen Sie mit dem Gelände zurecht?
Die Topographie war eine ernste Herausforderung. Hier zahlt es sich aus, dass wir palästinensische Ingenieure und Architekten beauftragt haben, die Experten für das Bauen in bergigem Gelände sind, und auswärtige Berater, die durch ihre Kenntnisse der neusten Technologien den Bauprozess etwas erleichtern konnten.
Wie war der Entwicklungsprozess organisiert?
Unsere erste, wirklich mühsame Aufgabe war es, ausreichend große, zusammenhängende Grundstücke zu finden. Die Palästinensische Autonomiebehörde hat dann unseren Entwurf geprüft und uns erlaubt, weiterzumachen. Der Masterplan wurde dem Ministerium für Kommunalentwicklung vorgelegt, das uns 2008 die Geneh-
migung zur Aufnahme der Arbeiten erteilt hat.
Welche Rolle spielten die palästinensischen und israelischen Behörden?
Rawabi ist ein Projekt der privaten Wirtschaft in einem hochkomplexen und instabilen politischen Umfeld. Besonders kritisch war es, bei der israelischen Regierung die Genehmigung für den Bau der Zugangsstraßen und den Anschluss an die Wasserversorgung einzuholen. Entgegen der israelischen Behauptung, sie unterstützten unsere Bemühungen, müssen wir in der Realität täglich um die Erlaubnis kämpfen, auf unserem eigenen Land zu bauen. Die palästinensischen Behörden tun alles, um ein positives Umfeld zu schaffen, aber ihre Beteiligung hat Grenzen.
Wer hat den Masterplan entworfen?
An der Erarbeitung des Masterplans waren neben unserer Firma Architekten, Ingenieure und Stadtplaner der Universität Bir Zait und der An-Najah Universität Nablus sowie des international tätigen Unternehmens AECOM  beteiligt.
Arbeiten Sie nach Standards und Baunormen, die mit europäischen vergleichbar sind?
Ja. Wir wollen eine palästinensische Stadt bauen, die die höchsten internationalen Standards in Entwurf und Ausführung erfüllt und auch den Ansprüchen kommender Generationen von Paläs-tinensern genügt. Wir haben stark von Wissenstransfer und Technologieexport profitiert.
Wie wird die Stadt finanziert?
Qatari Diar, eine Immobiliengesellschaft aus Katar, finanziert zusammen mit Massar Internatio-nal den Löwenanteil der städtischen Infrastruktur. Außerdem ist die Bayti Real Estate Investment Company beteiligt. Beide erwarten, dass die Stadt eine moderate Rendite abwirft, auch wenn Rawabi vor allem eine Investition in die langfristige wirtschaftliche Überlebensfähigkeit
eines künftigen palästinensischen Staates ist. Instandhaltung und Pflege der Gemeinschaftsflächen liegen in den Händen einer Tochterfirma der Investorengruppe. Die Eigentümergemeinschaften zahlen hierfür Abgaben.
Wer ist Ihre Zielgruppe?
Für die Wohnimmobilien die palästinensische Mittelschicht, vor allem junge Familien. Die Vermarktung zielt aber auch auf junge Singles und Ruheständler. Wer in Rawabi eine Wohnung kauft, bekommt bei allen größeren palästinensi-schen Banken günstig Kredit. Für Start-ups und Unternehmen, die sich im Zentrum ansiedeln, gibt es Förderung und Steuervergünstigungen.
Wie viele Wohnungen sind schon verkauft?
Der erste Abschnitt ist vollständig verkauft und wir haben schon die ersten Schlüssel überge-ben – 650 Familien werden bald hier wohnen. Auch ich habe ein Apartment erworben.
Eine so große Stadt hat Auswirkungen auf die Umlandgemeinden, die Landschaft und die Umweltressourcen und wird deshalb auch kritisiert. Wie gehen Sie damit um?  
Wir sind uns im Klaren darüber, dass wir Teil einer größeren Gemeinschaft sind und handeln auch in diesem Sinne. Unsere Anrainer haben im Planungsprozess große Beachtung gefunden. Wir stehen in einem beständigen, freundschaftlichen Kontakt. Die Nachbarstädte profitieren davon, dass wir die Verkehrsanbindung verbessern, den Zugang zur Trinkwasserversorgung, die Abwasserentsorgung und -reinigung. Deshalb haben sie uns bei unseren Bemühungen unterstützt.
Wie hat die Öffentlichkeit auf Rawabi reagiert?
Die Reaktionen waren lokal wie international überwiegend positiv. Die meisten Leute finden es aufregend, eine Stadt an einem Ort entstehen zu sehen, der als am wenigsten geeignet scheint – Palästina. Aber wir haben natürlich auch Kritiker, ohne die kein Projekt dieser Größe je ist.
Wann wird die neue Stadt fertig sein?
In fünf bis sieben Jahren sollen alle geplanten 5000 Wohnungen bezogen sein.
Jack Nassar studierte Betriebswirtschaft in Bir Zait, danach u.a. zuständig für „Gaza Nothilfe und Wiederaufbau“ im Büro des palästinensischenPremiers; seit Ende 2009 leitet er das Büro von Bashar Masri, dem Vorstandschef von Massar International
Fakten
Architekten Massar International Building, Ramallah
aus Bauwelt 34.2015
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