Bauwelt

Wir sollten uns damit ohne Furcht auseinandersetzen

Seit einem Jahr werden im Büro von Christoph M. Achammer keine Pläne mehr gezeichnet. Im Interview erklärt er, warum sich Architekten mit integriertem Planen und Augmented Reality befassen müssen.

Text: Meyer, Friederike, Berlin

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    Christoph M. Achammer
    Foto: Filmstill/Fred Plassmann

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    Christoph M. Achammer

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    Das Forschungsinstitut wurde im Herbst fertiggestellt.
    Foto: Kurt Kubal

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    Foto: Kurt Kubal

Wir sollten uns damit ohne Furcht auseinandersetzen

Seit einem Jahr werden im Büro von Christoph M. Achammer keine Pläne mehr gezeichnet. Im Interview erklärt er, warum sich Architekten mit integriertem Planen und Augmented Reality befassen müssen.

Text: Meyer, Friederike, Berlin

Herr Achammer, Ihr Büro ATP architekten ingenieure gehört zu den aktuell wenigen Archi­tekturbüros, die sich mit Augmented Reality und integraler Planung beschäftigen. Warum machen Sie das?
Weil wir seit einem Jahr keine Pläne mehr zeichnen. Wir modellieren unsere Häuser am Rechner, in allen für die Bauausführung notwendigen Details. Diese Datenmodelle kann man auch zur Ergänzung der Realität verwenden. Nichts anderes ist Augmented Reality.
Architekten sind in der Lage, räumlich zu denken und Pläne zu zeichnen. Andersherum können sie Schnitte und Grundrisse gedanklich in einen Raum übersetzen. Welche Vorteile hat Ihre Arbeitsweise für Architekten?
Wir entwerfen Häuser virtuell im Kopf. Wenn wir uns ein Haus ausgedacht haben, überprüfen wir das mit Skizzen und zeichnen daraus Pläne. Ein Plan ist ja nur ein sehr formalisiertes Abbild dessen, was wir uns überlegen. Grundriss, Aufriss, Schnitt. Die meisten unserer Bauherren aber können gar keine Pläne lesen. Das ist schon die erste Gefahr eines Missverständnisses. Aber es geht weiter. Wir formulieren unsere Idee ein weiteres Mal alphanumerisch – für die Ausschreibung. Wir übersetzen diese ein drittes Mal – in Ausführungspläne. Wir rechnen wieder alphanumerisch ab und benutzen das Gebäude schließlich weder nach Plänen noch nach Ausschreibungen sondern nach Gebrauchsanweisungen. Augmented Reality versetzt uns in die Lage, die virtuelle Idee, die wir von einem Haus haben, direkt virtuell darzustellen. Diese Darstellung können wir dann mit dem realen Bauplatz oder der Landschaft, in der das Haus stehen soll, vereinen.
Ab welcher Planungsaufgabe ist der Einsatz von AR sinnvoll?
Es fängt bei der Bushaltstelle an.
Viele Architekten argumentieren, Archi­tek­tur sei zu individuell, als dass man einen derart hohen digitalen Aufwand treiben sollte.

Der Aufwand mag noch hoch sein, weil die Tools und die Software noch nicht fertig entwickelt sind. Wir haben in den letzten vier Jahren in unserem Büro viele tausend Entwicklungsstunden aufgebracht, um diesem Thema näher zu kommen, und wir sind noch lange nicht am Ziel. Aber die Entwicklung ist rasant, und bald ist es für alle Planer ganz normal, Modelle am Rechner zu entwickeln.
Wer treibt die Entwicklung voran?
Die Welt und ihre Forderung nach besseren Häusern. Heute bauen wir Häuser mit 30 bis 50 Prozent Verschwendung in jeder Beziehung. Geld und Ressourcen. Das geht nicht so weiter. Die Planungsleistungen am Bau verlaufen nicht parallel, sie sind hintereinander geschaltet. Das müssen wir ändern. Die Automobilindustrie hat in den sechziger und siebziger Jahren genauso gearbeitet. Da gab es die Designabteilung, die Konstruktions- und die Motorenabteilung. Von der ersten Skizze bis zum Auto auf der Straße brauchte man 65 Monate. Heute sind es 14 Monate.
Im Unterschied zur Architektur entwickelt die Automobilindustrie Massenware. Birgt das in­tegrale Planen nicht auch die Gefahr, dass alle Häuser gleich aussehen?
Erstens sind die Autos nicht alle gleich. Zweitens können wir heute Prozesse industriell gestalten und trotzdem sieht jedes Haus anders aus. Solange die Architekten die Initiative ergreifen, fürchte ich mich überhaupt nicht vor der Eintönigkeit. Wir Architekten treiben das voran.
Wenn die Architekten aber keine Sonderlösungen entwerfen, vielleicht, weil es ihnen niemand bezahlt oder weil sie in ihrem Programm nur die Fensterversion der großen Hersteller anklicken können?
In Zukunft können wir Details entwickeln und die Industrie fertigt sie 1:1. Einzelstücke werden künftig industriell gefertigt. Im Holzfertigteilbau ist es der Maschine vollkommen egal, ob jedes Teil anders ist. Verglichen mit anderen Berei­-chen ist der Hausbau dem 21. Jahrhundert derzeit nicht würdig. Dass die Arbeiter auf der Baustelle den Betonstahl mit der Hand rödeln, ist mittelalterlich. Das hängt mit der Innova­tionsfeindlichkeit des Bauens zusammen. Die digitale Technik wird das ändern und bei hö­herer Qualität auch zu dramatischer Kostenreduktion führen.
Was wünschen Sie sich von Ihren Kollegen?
Das Wesentliche ist, dass wir unser Denken verändern. Wir müssen beginnen, inte­gral zu denken und zu arbeiten. Das ist viel mühsamer als eine neue Software zu kaufen. Ich glaube, die Planungslandschaft steht da vor einem ganz großen Szenenwechsel. Wir sollten uns damit ohne Furcht auseinandersetzen. Unsere kreative Arbeit bleibt dieselbe. Ideen dürfen auch weiter­hin mit einer gefalteten Papierserviette, einer Skizze oder einem Arbeitsmodell entstehen.
Fakten
Architekten Achammer, Christoph M., Wien
aus Bauwelt 38.2016
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