Bauwelt

Wir werden im Ausschuss auch über Baukultur reden

Mechthild Heil ist die einzige Architektin im Deutschen Bundestag. Seit April ist die Christdemokratin die Vorsitzende des neuen Ausschusses Bauen, Wohnen, Stadt­entwicklung und Kommunen. Wir haben sie Ende September in ihrem Berliner Abgeordnetenbüro besucht.

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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    Mechthild Heil
    Geboren in Andernach, Rheinland-Pfalz. Studium der Architektur an der TU Kaiserslautern. Leitet mit ihrem Bruder das Architekturbüro Rumpf Architekten + Ingenieure in Andernach. Seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestags für den Wahlkreis Ahrweiler/Mayen, CDU/CSU-Fraktion.
    Foto: Sebastian Kohlhoff

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    Mechthild Heil
    Geboren in Andernach, Rheinland-Pfalz. Studium der Architektur an der TU Kaiserslautern. Leitet mit ihrem Bruder das Architekturbüro Rumpf Architekten + Ingenieure in Andernach. Seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestags für den Wahlkreis Ahrweiler/Mayen, CDU/CSU-Fraktion.

    Foto: Sebastian Kohlhoff

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    Das Infozentrum für den Kaltwassergeysir in Andernach von Mechthild Heil wurde 2009 fertig. Die Fassade ist aus Weiberner Tuff.
    Foto: Rumpf Architekten

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    Das Infozentrum für den Kaltwassergeysir in Andernach von Mechthild Heil wurde 2009 fertig. Die Fassade ist aus Weiberner Tuff.

    Foto: Rumpf Architekten

Wir werden im Ausschuss auch über Baukultur reden

Mechthild Heil ist die einzige Architektin im Deutschen Bundestag. Seit April ist die Christdemokratin die Vorsitzende des neuen Ausschusses Bauen, Wohnen, Stadt­entwicklung und Kommunen. Wir haben sie Ende September in ihrem Berliner Abgeordnetenbüro besucht.

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Frau Heil, Sie sind im Deutschen Bundestag die Vorsitzende des neuen Ausschusses Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen. Können Sie kurz die Punkte skizzieren, die gezielt im Ausschuss vorangetrieben werden?
Wir haben uns zwar konstituiert, aber erst das dritte Mal getagt und dahernoch nicht sehr viel machen können. Zwei der Sitzungen waren Haushaltsberatungen. Drei Aspekte stehen im Vordergrund: Gesetzgebungsverfahren, die wir bearbeiten werden, die Beratung anderer Ausschüsse, vor allem des Sozialausschusses, und bestimmte Zielsetzungen, die uns wichtig sind, zum Beispiel mehr Grün in der Stadt. Wir werden Fachleute einladen und darüber diskutieren. Da die Kollegen im Ausschuss alle neu sind oder vorher in anderen Ausschüssen tätig waren, müssen wir uns in den verschiedenen Fraktionen erst einmal finden und uns auf Themen einigen.
Nach dem Wohngipfel der Bundesregierung im Kanzleramt am 21. September sind verschiedene Maßnahmen beschlossen worden, der Wohnungsknappheit zu begegnen.
Beschlossen wurden Maßnahmen von der Regierung, die im Koalitionsvertrag stehen oder auf höchster Ebene entschieden wurden. Das Anderesind Gesetzgebungsverfahren, die wir als Abgeordnete voranbringen.
Welche Maßnahmen sind Ihnen wichtig?
Im ländlichen und kleinstädtischen Raum gibt es rein rechnerisch keinen Wohnungsmangel. Wir haben dort einen Riesenbestand an Wohnraum. Viele Häuser müssen erneuert und umgebaut werden. Da muss man mehrtun. Zum Beispiel hat die Stadt Andernach in meiner Heimat im Rahmen der Wohnungspolitik Häuser gekauft. Sie bietet so einfachen Wohnraum an, auch für Flüchtlingsfamilien, später kann eine andere Nutzung gefunden werden. Früher hätte der Stadtrat dafür keine Zustimmung gegeben.
Die Stadt hat diese Häuser von privaten Eigentümern erworben?
Ja, weil man so günstig Wohnraum schaffen kann für temporäre Nutzungen, bis neue Konzepte greifen. Auch ein Verkauf ist möglich, wenn ein neues Projekt passend ist. Auf jeden Fall hat es sich für die Stadt in der Zwischenzeit gelohnt. Ich habe von Anfang an gesagt, dass dies ein Mittel der Stadtentwicklung in Kleinstädten ist, besonders in der Innenstadt. Auch imländlichen Raum ist dies möglich. Manche Gemeinde mit hohem Leerstandist gar nicht weit vom nächsten Ballungsgebiet mit Wohnraummangelentfernt. Hier muss Wohnungspolitik breiter gedacht werden. Wir müssendiese Gebiete attraktiver machen, insbesondere mit besserer Anbindungund Infrastruktur.
Auch Studentenstädte haben große Probleme passenden Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Immer mehr Studenten und Auszubildende suchen heute kleine Wohnungen. Da müssen wir weiterkommen. Ausbildungsplätze sind aber nicht nur in den Städten. In den Dörfern, wo der Bürgermeister oder eine Initiative beim Wohnraum für junge Leute etwas anbietet, bleiben sie eher dort. Wir müssen an allen Ecken anfangen.
Das starke Auseinanderklaffen zwischen Bestandsmieten und neuen Mieten ist ein weiteres Problem, nicht nur in Großstädten wie München oder Berlin. Es kann sein, dass in einem Haus ein Neumieter das Dop­pelte zahlt wie ein Altmieter für die gleich große Wohnung. Sehen sie da Möglichkeiten einzugreifen?
Im Grunde kann es nicht gut sein, reglementierend einzugreifen. Wir sehen aber, dass der Markt überhitzt ist und solange man leicht jemanden fin­-det, der für die Nachbarwohnung das Doppelte zahlt, ist das so. Wir sind ja an der Mietpreisbremse dran, wie auch immer sie ausgestaltet sein wird. Wir müssen da dringend weiterkommen. Der Wohnungsmarkt kann sich aber nur dauerhaft entspannen, wenn schneller mehr Wohnraum geschaffen wird. Keiner sollte so tun, als ob es dafür nur eine Patentlösunggäbe. Wir brauchen eine Vielzahl von Maßnahmen.
Wenn mehr gebaut wird, braucht man mehr Handwerker im Baugewerbe. Schon jetzt gibt es zu wenige.
Man bekommt Handwerker, wenn Rechnungen pünktlich bezahlt werden. Bei der öffentlichen Hand ziehen sich die Handwerksbetriebe lieber zurück. Wir sehen das auch in unserem eigenen Architekturbüro in Andernach, das ich mit meinem Bruder Wolfgang Rumpf leite: Wenn man die Bedingungen kennt und stringent plant, sind Handwerksbetriebe gut zu finden. Wenn sich bei uns der Landkreis überlegt, im Sommer werden alle Schulen saniert, dann wird es natürlich schwierig.
Der Ausschuss nennt sich „Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung, Kommunen“. Welches Thema ist Ihnen besonders wichtig?
Alle vier Themen sind gleich wichtig. Für mich steht die Stadtentwicklung im Vordergrund. Alles andere funktioniert nur, wenn die Stadtentwicklung läuft. Man kann nicht einfach nur bauen ohne den Kindergarten, die Schule, die Infrastruktur, Straßen, das Grün in der Stadt. Wir werden im Ausschuss aber auch über Baukultur reden. Schnell, auch seriell bauen, ist wichtig, aber es muss auf Qualität geachtet werden.
Sie wünschen sich für jede Stadt, dass man dort verstärkt im Ganzen denkt.
Absolut. Wo finden Sie denn heute noch einen Stadtplaner in den Verwaltungen, der sich Großes vornimmt? Leider viel zu selten.
Sind Sie tatsächlich die einzige Architektin in dieser Legislaturperiode im Bundestag?
In der letzten Legislaturperiode war dies der Fall. Jetzt habe ich eine Kollegin in der CDU/CSU-Fraktion, die ist Raum- und Umweltplanerin.
Tragen Sie als einzige Architektin eine besondere Verantwortung?
Man kann es auch anders sehen: Was will eine Architektin im Bundestag? Ich habe jetzt acht Jahre lang dort andere Dinge getan, unter anderem als Verbraucherschutzbeauftragte.
Der Deutsche Bundestag sollte das Abbild der Gesellschaft sein: weniger Berufspolitiker, sondern Menschen, die aus verschiedenen Berufen kommen.
Schön, dass Sie das sagen. Aber Freiberufler wie ich gibt es wenige. Wie soll man das zeitlich schaffen? Was macht man mit dem eigenen Architekturbüro? Ich habe zum Glück meinen Bruder im Büro, sonst würde das nicht funktionieren. Von wegen Abbild in der Gesellschaft. De facto kann ich nicht mehr im Büro arbeiten, weil das zeitlich nicht klappt.
Kommen wir zu ihrer Heimatstadt Andernach in ihrem Wahlkreis Ahrweiler/Mayen. Was ist prägend für diese Stadt? Welche Perspektiven hat sie heute?
Andernach ist eine über 2000 Jahre alte Stadt am Rhein. Wir sind älter als Trier. Die Kelten lebtenschon dort. Am Rhein liegend ist der Tourismus bedeutend. Andernach ist die „essbare Stadt“: Wir haben begonnen, öffentliches Grün zu bepflanzen mit Dingen, die man essen kann. Es wurden Beete angelegt und Obstbäume gepflanzt. Das Interessante ist: Die Bewohner kümmern sich gerne darum und ernten viel, Vandalismus gibt es nicht. Eine Besonderheit von Andernach ist natürlich der Kaltwassergeysir, mit 60 Metern der höchste seiner Art in Europa. Ich hatte das Glück, das Geysir-Informationszentrum zu bauen kurz bevor ich in den Bundestag kam. Ein Problem ist der Leerstand bei den Geschäften in der Stadt. Die Leute fahren lieber in die großen Zentren.
Wenn Sie an Ihr Architekturstudium an der TU Kaiserslautern zurückdenken, gibt es bestimmte Lehrveranstaltungen und Hochschullehrer, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Ich habe gerne Freihandzeichnen gemacht bei Prof. Römer, der mir allerdings schon im ersten Semester gesagt hatte, dass ich Bildhauerei studieren soll. Das habe ich damals nicht verstanden.
Sie sind ja heute bildhauerisch tätig und arbeiten mit Tuffstein.
Im Grunde war das seine Anregung. Ich habe dann im Architekturstudium gelernt, ausdauernd vor dem Skizzenpapier zu sitzen und zu entwerfen. Oft wurde das Papier zusammengeknüllt und noch einmal neu ein Problem von der anderen Seite betrachtet. Irgendwann war man fertig damit, hat den Entwurf voller Stolz präsentiert und sah einen Mitstudenten, der die Aufgabe noch eleganter hinbekommen hat. Sich das einzugestehen und zu sehen, es gibt andere Wege, auch daran zu lernen, das hat mich geprägt. Ich merke, dass mir diese Arbeitsweise von damals heute in der Politik hilft. Ich kann weglassen und noch einmal von vorne anfangen, um mich einem Problem zu nähern.
Gibt es einen Entwurf, der Ihnen besondere Freude gemacht hat während des Studiums?
Das war meine Diplomarbeit bei Prof. Ermel. Ich habe für Boehringer Ingelheim eine Mensa entworfen. Es war damals eine wichtige Erfahrung für mich, wie man in so einer Diplomarbeit aufgehen kann. Heute wünsche ich mir manchmal, ich hätte so viel Zeit und Energie für ein Projekt.
Haben Sie nach dem Studium in Frankfurt als Architektin gearbeitet?
Ja, bei RKW Architekten am Nordwestzentrum. Das Büro hatte damals viele Malls gebaut.
Wie stehen Sie zum Berliner Humboldt Forum?
Ich würde als Architektin so etwas nicht machen. Während meiner Zeit in Frankfurt wurde der Römer gebaut. Auch das sehe ich kritisch. Wir müssen den Mut haben und sagen, ja, wir bauen heute anders und wir können Qualität. Viele in der Bevölkerung finden es aber gut. Und sie werden mit dem Bau auch glücklich sein.

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