Bauwelt

Wieder droht ein Abriss

Text: Baus, Ursula, Stuttgart

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Die Deutsche Botschaft in Wien wurde zwischen 1959 und 1965 von Rolf Gutbrod gebaut.
Roland Krauss

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Die Deutsche Botschaft in Wien wurde zwischen 1959 und 1965 von Rolf Gutbrod gebaut.

Roland Krauss


Wieder droht ein Abriss

Text: Baus, Ursula, Stuttgart

Obwohl bereits ein Gutachten angefertigt worden ist und ein Wettbewerb für die Sanierung und den Umbau der Deutschen Botschaft in Wien von Rolf Gutbrod (1910–1999) stattgefunden hat, beabsichtigt das Auswärtige Amt, das Gebäude abzureißen – eine Entscheidung, die nicht nachzuvollziehen ist
Im Reigen der Bauten, mit denen sich die junge Bundesrepu­blik in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in einer internationalen Staaten-Gemeinschaft repräsentieren musste und wollte, spielt die Botschaft im Wiener Diplomatenviertel eine herausragende Rolle. Der Wettbewerb zum Neubau im 3. Wiener Bezirk hatte 1959 drei gleichrangig bewertete Sieger ergeben: Sep Ruf, Alexander von Branca und Rolf Gutbrod. Letzterer wurde mit dem Bau beauftragt.
Sechs Jahre später wurde die Deutsche Botschaft in Wien eingeweiht. Anfang der neunziger Jahre brauchte man mehr Platz. Deswegen wurde die Residenz des Botschafters in eine Stadtvilla verlegt, um im Gutbrod-Bau weitere Büros unterzubringen. Und Anfang 2008 lobte das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) dann einen Realisierungswettbewerb für die Sanierung des Botschaftsgebäudes aus. Von Gutbrods Architektur sollte dabei so viel wie möglich erhalten bleiben. Neun Arbeitsgemeinschaften von Architekten, Landschaftsarchitekten und Ingenieuren nahmen am Wettbewerb teil. Gewonnen hat ihn das Team aus gildehaus.reich architekten, weimar architects ag mit Dane Landschaftsarchitekten, alle aus Weimar, und HKL Ingenieurgesellschaft, Erfurt, – mit einem behutsamen Konzept ohne „eigene Geste“ (Bauwelt 17–18.2008).
Vor diesem Hintergrund ist schwer nachzuvollziehen, wieso das Auswärtige Amt den Gutbrod-Bau nun abreißen will. Abriss, neuer Wettbewerb und Neubau werden gewiss nicht billiger als eine Sanierung des Bestands – zumal in der Baubranche inzwischen gründlich Erfahrungen mit den Sanierungsproblemen der Bauten der frühen sechziger Jahre gesammelt worden sind.
Auf unsere Anfrage vom 23. Juni 2014 zu den Abrissgerüchten antwortete eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes: „Es ist beabsichtigt, das Gebäudeensemble der Deutschen Botschaft in Wien abzureißen. Das Gebäudeensemble steht nicht unter Denkmalschutz.“ Aus dem Auswärtigen Amt heißt es außerdem: „Eine Generalsanierung scheidet aus, da dies unwirtschaftlich wäre.“ Beide Gründe sind nicht unbedingt stichhaltig, wie der Sanierungswettbewerb vor wenigen Jahren belegte. So kann nur vermutet werden, dass dem Auswärtigen Amt das ästhetische Erscheinungsbild des Nachkriegsgebäudes nicht mehr genehm ist. Das lässt sich umso weniger begreifen, als dass gerade ein Botschafts-Ensemble als Dokument der politischen Repräsentationsgeschichte einen besonderen Erhaltenswert hat. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass das Auswärtige Amt selber in einer geschichtlich durchaus belasteten Architektur unterkam: in der ehemaligen Reichsbank aus den Jahren 1934–40, die Hans Kollhoff nach der Wende umbaute.
In der gutachtlichen Stellungnahme zum Gutbrod-Bau kam Klaus Jan Philipp, Leiter des Instituts für Architekturgeschichte der Universität Stuttgart, 2007 zu dem Schluss: „Das Antroposophisch-Ganzheitliche seiner Architektur findet in der Wiener Botschaft, die er selbst zu seinen Hauptwerken zählte, einen der Bauaufgabe adäquaten Ausdruck. Wie ein Spiegelbild der späten Adenauer-Zeit repräsentiert sich hier die BRD als ein demokratischer Staat, dessen Selbstverständnis zwischen Tradition und Moderne, zwischen Bewahren und Aufbruch oszilliert. Ich empfehle daher den Erhalt des Ensembles der Deutschen Botschaft Wien. Insbesondere sind die Fassaden der Residenz und der Kanzleigebäude unbedingt erhaltenswert, da sonst die ausponderierte Gestalt des Baus verloren ginge. Die Foyerbereiche im Erdgeschoss und im ersten Geschoss der Residenz sollten in ihrer Gestalt erhalten werden, ebenso der Konferenz- und der Festsaal sowie die repräsentativen Zimmer mit ihren raumhohen Türen und den Wandpaneelen im ersten Obergeschoss. Die bereits vollzogene Umnutzung der ehemaligen Botschafterwohnung einschließlich der Gästezimmer kann beibehalten werden, da sie keine Auswirkung auf die Fassaden des Baus hat. Beim Wohnhaus sollte berücksichtigt werden, dass es als integraler Baustein der Gesamtkomposition eine besondere Bedeutung hat.“
Bleibt zu hoffen, dass sich im Auswärtigen Amt und/oder im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit rasch Unterstützung für den Erhalt beziehungsweise den behutsamen Umbau der Deutschen Botschaft in Wien findet. Barbara Hendricks, zuständige Ministerin – im zugegeben sehr komplexen Ministerium – könnte als promovierte Historikerin aufgeschlossen für die baugeschicht­liche Bedeutung des Gutbrod-Ensembles sein. 
Fakten
Architekten Gutbrod, Rolf (1910–1999)
aus Bauwelt 29-30.2014
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