Bauwelt

Schöne neue Stadt

Text: Wesener, Andreas, Christchurch

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    300.000 Menschen leben heute in Neuseelands zweitgrößter Stadt. 70.000 Einwohner mussten Christchruch nach dem Erdbeben verlassen. Die Innenstadt war zu 80 Prozent zerstört und wurde abgesperrt.
    Tanya Michils

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    300.000 Menschen leben heute in Neuseelands zweitgrößter Stadt. 70.000 Einwohner mussten Christchruch nach dem Erdbeben verlassen. Die Innenstadt war zu 80 Prozent zerstört und wurde abgesperrt.

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    Seit kurzem ist das Stadtzentrum wieder zugänglich. Im Bild die Christchurch Cathedral von 1848, die bei dem Erdbeben ihren Turm und Teile des Hauptschiffs verloren hat.

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    Seit kurzem ist das Stadtzentrum wieder zugänglich. Im Bild die Christchurch Cathedral von 1848, die bei dem Erdbeben ihren Turm und Teile des Hauptschiffs verloren hat.

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    Unweit der zerstörten Kathedrale (roter Punkt) errichtete Shigeru Ban einen temporären Ersatzbau (schwarzer Punkt).
    CCDU

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    Unweit der zerstörten Kathedrale (roter Punkt) errichtete Shigeru Ban einen temporären Ersatzbau (schwarzer Punkt).

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    Für den temporären Sakralbau entwickelte der japanische Architekt eine Konstruktion ...
    Brigit Anderson

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    Für den temporären Sakralbau entwickelte der japanische Architekt eine Konstruktion ...

    Brigit Anderson

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    ... aus 98 gleich großen Pappröhren.
    Brigit Anderson

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    Im Hauptschiff der Kirche haben bis zu 700 Menschen Platz.
    Brigit Anderson

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    Am 11. August wurde nach einer halbjährigen Bauverzögerung ...
    Brigit Anderson

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    Brigit Anderson

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    ... der erste Gottesdienst der Gemeinde gefeiert.
    Brigit Anderson

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    Brigit Anderson

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    Für die Gestaltung der farbigen Fenster verwendete Shigeru Ban ...
    Brigit Anderson

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    ... Glas aus der Rosette der alten Kathedrale.
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    ... Glas aus der Rosette der alten Kathedrale.

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    Über die Planung einer neuen, dauerhaften Kathedrale wird in Christchurch noch gestritten. Einige Kritiker fordern einen zeitgenössischen Bau, ...
    Brigit Anderson

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    Über die Planung einer neuen, dauerhaften Kathedrale wird in Christchurch noch gestritten. Einige Kritiker fordern einen zeitgenössischen Bau, ...

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    ... andere die Rekonstruktion der ursprünglich neo-gotischen Kirche.
    Brigit Anderson

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    ... andere die Rekonstruktion der ursprünglich neo-gotischen Kirche.

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    Noch bleibt etwas Zeit: Die Lebensdauer von Bans "Cardboard Cathedral" soll 50 Jahre betragen. Mehr zu den Planungen für die gesamte Innenstadt lesen Sie in Heft 34.
    Brigit Anderson

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    Noch bleibt etwas Zeit: Die Lebensdauer von Bans "Cardboard Cathedral" soll 50 Jahre betragen. Mehr zu den Planungen für die gesamte Innenstadt lesen Sie in Heft 34.

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Foto: Tanya Michils

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Schöne neue Stadt

Text: Wesener, Andreas, Christchurch

Die Bilder des Erdbebens in Neuseeland 2011 gingen um die Welt. Besonders hart getroffen hat es Christchurch, die größte Stadt auf der Südinsel. Die Innenstadt wurde fast komplett zerstört. Jetzt rückt der Wiederaufbau näher. Doch für wen wird hier eigentlich gebaut?
Am 30. Juni fielen die letzten Zäune in der Innenstadt von Christchurch. Nach mehr als zwei Jahren ist das Stadtzentrum der zweitgrößten Stadt Neuseelands nun wieder vollständig begehbar. Die heute noch rund 300.000 Einwohner zählende Stadt wurde zwischen 2010 und 2012 von zwei großen und unzähligen kleineren Erdbeben erschüttert. Das verheerendste Beben (6,3 auf der Richter-Skala) ereignete sich am 22. Februar 2011. Dabei wurden die Innenstadt und etliche der ausgedehnten Suburbs im Süden und Osten der Stadt stark zerstört – 185 Menschen starben. Vor allem die historische Bausubstanz der als „the most English city outside of England“ bekannten Stadt litt unter den seismischen Schocks. Viele der Gebäude aus dem 19. Jahrhundert hielten den schweren Erdstößen nicht stand. Das wohl prominenteste Beispiel ist die Christchurch Cathedral, erbaut zwischen 1864 und 1884, und die wichtigste Landmarke der Stadt. Sie verlor ihren Turm und Teile des Hauptschiffes. Aber auch Stahlbetonskelettbauten stellten sich als nicht erdbebensicher heraus: Beim Einsturz des sechsstöckigen Canterbury Television (CTV) Building aus den 1980er Jahren kamen 115 Menschen ums Leben. Nach dem 22. Februar 2011 wurde die gesamte Innenstadt Christchurchs – immerhin eine Fläche von ca. 387 Hektar – abgesperrt und zur sogenannten „Red Zone“ erklärt. Der Zugang in die rote Zone wurde vom neuseeländischen Militär kontrolliert und nur unter strengsten Sicherheitsauflagen gestattet. Nachdem die Red Zone aufgelöst und das Militär abgezogen ist, bleiben nur noch wenige Restflächen – zumeist in Nähe einsturzgefährdeter Gebäude – abgesperrt. Abrissarbeiten sind jedoch immer noch in vollem Gang, bis zum Ende des Jahres werden wohl rund 80 Prozent der ursprünglichen Bausubstanz abgeräumt sein. Das Gefühl der Leere im Stadtzentrum ist überwältigend.
Die schweren Erdbeben hatten signifikante Auswirkungen auf die Stadtentwicklung Christchurchs. Wer über Nacht obdachlos geworden war, musste eine neue Bleibe finden, Unternehmen brauchten neue Firmensitze, Universitäten neue Institutsgebäude und Studentenunterkünfte, Einzelhändler neue Ladenlokale. Innerhalb kürzester Zeit fanden stadtteilübergreifende Wanderungsbewegungen statt. Die Stadtteile in der Red Zone wurden zu Geisterstädten, in den angrenzenden Gebieten wohnt nur noch, wer sich den Wegzug nicht leisten kann. Andere Viertel erlebten einen unerwarteten Boom. Dies führte zu Wohnraumverknappungen sowie steigenden Immobilien- und Mietpreisen in den stark nachgefragten Stadtteilen; damit einhergehende sozio-ökonomische Strukturveränderungen und deren Symptome (soziale Spannungen, Kriminalität, etc.) setzen sich bis heute fort. Um die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt zu befriedigen, wurden in peripheren Lagen auf der grünen Wiese Flächen für die dominante Wohnform in Neuseeland – das Einfamilienhaus – ausgewiesen. Dadurch werden die bereits vorhandenen, großflächigen suburbanen Strukturen der Stadt, gekennzeichnet durch geringe städtebauliche Dichte und hohe Abhängigkeit vom Automobil, weiter wachsen. Auf einigen, durch die Erdbeben freigewordenen Grundstücken haben sich mittlerweile vielfältige kreative Zwischennutzungen eingerichtet. So wurde in zentraler Lage eine Einkaufsstraße aus umgebauten Frachtcontainern (Re:START Mall) errichtet. Neugegründete Organisationen wie „Gap Filler“ und „Greening the Rubble“ nutzen innerstädtische Brachflächen für Kunstprojekte, Performances oder Pocketparks, und der japanische Architekt Shigeru Ban errichtete die „Cardboard Cathedral“, ein temporärer Ersatz für Christchurchs zerstörte Landmarke. Schätzungen (Neuseeland besitzt kein Meldesystem) gehen davon aus, dass seit dem Erdbeben bis zu 70.000 Einwohner die Stadt verlassen haben. Auch wenn seit diesem Jahr viele Jobs in der Baubranche wieder Rückkehrer und Neubürger anziehen, wandern vor allem junge Menschen weiterhin ab. Viele Studenten zieht es nach Wellington oder Auckland. Allein die Canterbury University, die größte Hochschule der Region, hat nach eigenen Angaben auch in diesem Jahr mehr als 20 Prozent weniger Neueinschreibungen als vor den Erdbeben.
Eine kontroverse Entwicklung
Um Perspektiven zu schaffen und die Bewohner an Christchurch zu binden, initiierte die Stadtverwaltung im Mai 2011 ein beispielhaft plebiszitäres Planungsverfahren. Mit dem Ideen­wettbewerb „Share an Idea“ sollte eine starke Bürgerbeteiligung beim Wiederaufbau etabliert werden. Der dänische Architekt Jan Gehl, international bekannt durch sein städte-bauliches Manifest „Leben zwischen Häusern“ (deutsche Erstveröffentlichung 2012), hatte im Jahr 2009 – vor den Erdbeben – eine umfassende städtebauliche Entwicklungsstudie für Christchurch entworfen. Für die Wiederaufbauplanung wurde er erneut als Berater hinzugezogen. Das „Post Earthquake“-Entwicklungskonzept, das mit den Bürgern erarbeitet wurde, sah ein kompaktes fußgängerfreundliches Stadtzentrum europäischer Prägung vor. Dessen Mittelpunkt bildete auch weiterhin der zentrale Cathedral Square, der jetzt – nach dem Verlust der Kathedrale – als begrünter urbaner Ort diverse soziale und kulturelle Aktivitäten aufnehmen würde. Zwei wichtige öffentliche Gebäude – die Zentralbibliothek und das Convention Centre – würden an exponierten Stellen die Res publica repräsentieren. Die begrünten Ufer des Avon River in Christchurchs Zentrum sollten aufgeweitet werden und als Ost-West-Achse verschiedene Stadtteile miteinander verbinden. Nachbarschaftszentren sollten rund um die Innenstadt als periphere „Hubs“ die Entwicklung gemischter Quartiere stimulieren. Die Sprawlstadt hätte ein fahrradfahrerfreundliches Verkehrsnetzwerk und ein schienengebundenes Personentransportsystem bekommen.
Das „Share an idea“-Planungsverfahren wurde von den Bürgern begeistert angenommen. Innerhalb von sechs Wochen wurden über 100.000 Ideen eingereicht und dokumentiert. Die Ergebnisse dieses professionell koordinierten „Bottom up“-Planungsverfahrens wurden im Dezember 2011 in einem 161 Seiten umfassenden „Central City Plan“ dem Minister for Canterbury Earthquake Recovery, Gerry Brownlee, übergeben. Brownlee lehnte das Dokument jedoch ab – es sei „unnötig komplex“ – und gründete die Christchurch Central Development Unit (CCDU), eine Spezialeinheit, die innerhalb der Canterbury Earthquake Recovery Authority (CERA) operiert. CERA untersteht der neuseeländischen Zentralregierung in Wellington und ist mit weitgehenden Machtbefugnissen ausgestattet, die Organisation kontrolliert den gesamten „Urban recovery“-Prozess in Christchurch. Die neue Spezialeinheit wurde beauftragt, innerhalb von 100 Tagen den Plan der Stadtverwaltung zu überarbeiten. Ihr im Juli letzten Jahres vorgelegter neuer Masterplan für den Wiederaufbau bzw. die Neuplanung des Central Business Districts (CBD) wurde unter Leitung von Boffa Miskell, einer großen neuseeländischen Planungs- und Design-Beratungsgesellschaft, erstellt.
Dieser sogenannte „Blueprint Plan“ unterscheidet sich in ganz wesentlichen Punkten vom ursprünglichen Plan: Die Idee des kompakten CBD wurde zwar aufgenommen, aber im Sinne einer „künstlichen“ Aufwertung der Kern-Grundstücke weiterentwickelt, wohl vor allem, um private Investoren mit Aussichten auf steigende Grundstückspreise anzulocken. Um den neuen CBD herum soll ein sogenannter „frame“, eine Art grüner Rahmen, angelegt werden, der die Größe des Kernzentrums von jetzt 92 auf 42 Hektar reduziert. Dies soll durch großflächige (und teilweise erzwungene) Landakquisitionen seitens der Regierung erreicht werden. Auf den Grundstücken soll anschließende Tabula rasa gemacht werden. Die spätere Nutzung des Frames ist noch ungewiss; geplant ist überwiegend öffentlicher Freiraum, partiell ergänzt durch Büro-, Einzelhandels-, und Wohnraumnutzung. Das reduzierte Stadtzentrum soll in thematische Zonen aufgeteilt werden – von einer Zone für Freizeit, über eine Zone für Handel, für Gesundheit bis hin zu einer „Tagungszentrums-Zone“ oder einer „Innovations-Zone“. Als symbolträchtige „Anchor projects“ sind ein Erdbeben-Denkmal, ein Maori-Kulturzentrum und drei größere Sportstätten (u.a. ein neues Rugbystadion) vorgesehen. Auf die historische Bausubstanz wird wenig Rücksicht genommen; neue schienengebundene ÖPNV Konzepte sind im „Blueprint Plan“ nicht mehr enthalten.
Der neue Plan für den Wiederaufbau stellt eine kuriose Mischung aus modernistischen und postmodernen Planungsparadigmen dar. Die absolute Entscheidungsgewalt der Zentralregierung, die Durchsetzung eines Masterplans nach dem „Top down“-Prinzip, der massive Eingriff des Staates durch großflächige Landakquisitionen, die „Tabula rasa“-Politik so-wie die Aufteilung der Stadt in funktionale Zonen erinnern an CIAM-Prinzipien und damit verbundene städtebauliche Leitbilder der Moderne. Der Fokus auf marktgesteuerte „Corporate development“-Prinzipien, Image- und Brandingstrategien und symbolträchtige Flagship-Projekte folgt der Idee, Städte im globalen Standortwettbewerb so auszustatten, dass sie attraktiv für überregionale und globale Investoren, Fachkräfte und Touristen sind. Damit wird die ursprüngliche, bürgernahe Planung der Stadt ad absurdum geführt. Während das „Share an idea“-Verfahren internationale Aufmerksamkeit auf sich zieht und Anerkennung findet – erst im Juli erhielt es den renommierten Preis der „2013 Triennale for an Architecture of Necessity“ –, wird die Stadt zur Umsetzung eines Masterplans genötigt, der die Ideen der Bürger nur noch ansatzweise berücksichtigt. Er bietet viele Anreize für Investoren, aber nur wenige für junge Leute. Wie Bürgermeister Bob Parker in einem Statement betont, wird durch den „verwässerten Plan“ die derzeitige Dynamik erstickt. Vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung und der beispiellosen Abwanderung junger Leute könnten in 20 Jahren über die Hälfte der Einwohner im Rentenalter sein. „Falls die Regierung ihre Pläne für die Stadt nicht überdenkt“, warnt der Bürgermeister, „wird Christchurch bald nicht mehr als ein auf Hochglanz poliertes Altenheim sein.“

Adresse Christchurch


aus Bauwelt 34.2013
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