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The Informal Europe

Jan Friedrich denkt darüber nach, seinen Weg in die Redaktion zur Promotion anzumelden

Text: Friedrich, Jan, Berlin

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The Informal Europe

Jan Friedrich denkt darüber nach, seinen Weg in die Redaktion zur Promotion anzumelden

Text: Friedrich, Jan, Berlin

Gut zehn Jahre ist es her, da sprach jeder, wirklich jeder, über die informelle Stadt. Keine der damals so zahlreichen internationalen Architekturbiennalen (was ist aus denen eigentlich geworden?) und Architekturkonferenzen, bei der nicht irgendeine Gruppe von Architektur- und Städtebauforschern ihre Forschung zur Informal City vorgestellt hätte. Konkret hieß das: Architekten und Städtebauer aus Europa gingen nach Südamerika oder Afrika, um die Strukturen von Favelas und Slums zu studieren. Es ist still geworden darum. Weshalb? Vielleicht ist es so: Es gibt wieder eine Menge anderer Dinge, die Architekten und Stadtplaner tun können.
Schade eigentlich. Denn eine Neuauflage solcher Studien scheint dringend geboten. Und: Man muss dafür nicht wie seinerzeit exorbitante Reisekosten verursachen. Ich selbst betreibe Informal Cities Research inzwischen werktäglich, en passant, auf meiner Fahrt mit dem Rad in die Redaktion und wieder zurück nach Hause. Unweit vom Bahnhof Zoo lassen sich musterhaft die Prozesse informeller Siedlungswerdung beobachten: Obdachlose Wanderarbeiter aus Osteuropa haben in den vergangenen Monaten auf einem Streifchen Grün zwischen einem viel begangenen Weg durch den Tiergarten und dem Stadtbahn-Viadukt ein Zeltdorf gegründet. Das begann mit einigen, die im Schutze des Bahndamms in Schlafsäcken übernachteten. Irgendwann tauchten die ersten Igluzelte auf, dann ein paar mehr, dann noch ein paar mehr…
Der Ort ist bestens gewählt für eine Neugründung. Er liegt zentral, zur Bahnhofsmission sind es nur wenige Meter, und es gibt Toilettencontainer im Tiergarten. Und Laufkundschaft, mit der es sich lohnt, Handel zu treiben. Am Wegesrand steht ein verbeulter Einkaufswagen voller zerlesener Bücher und anderem Flohmarktplunder, den man bei den Siedlern kaufen kann.
Natürlich ist das illegal. In Berliner Parks darf man nicht siedeln. So war es nur eine Frage der Zeit, bis eines Morgens das Ordnungsamt der Sache ein Ende bereitete. Vorübergehend. Eine Zeit lang leuchteten die bunten Zelte weiter drin im Park hinter diesem und jenem Gebüsch hervor. Allmählich kehren die Leute zurück, neue kommen hinzu. Einen derart guten Ort gibt man nicht nach dem ersten Rückschlag preis. Mein Forschungsgegenstand wird mir, so viel ist sicher, so bald nicht abhanden kommen.

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