Bauwelt

Undenkbares

Kaye Geipel will in dieser Kolumne laut schreien

Text: Geipel, Kaye, Berlin

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Undenkbares

Kaye Geipel will in dieser Kolumne laut schreien

Text: Geipel, Kaye, Berlin

Architekturkritiker sind Fetischisten der Sparsamkeit. Sparsamkeit der Sprache ist nötig, um den architektonischen Gegenstand auf den Punkt zu bringen. Trockene Luft und ein Eros des Mageren sind beim Schreiben gefragt, plüschige Vokabeln und pumpiges Aufplustern wirken da wie überflüssiges Fett. Ulrich Conrads nannte es einst den Konstruktionssinn des Kritikers, dessen Sprache daran geschult sein müsse, „alle Nase lang auf der Baustelle sein“. Ist solch eine Sprache heute überholt? Nein. Unser Austauschredaktor Andres Herzog hat erzählt, dass es bei den Schweizer Kollegen von der Redaktion Hochparterre eine Art Schwarzliste gibt: die Adjektive „nachhaltig“, „außerordentlich“, „visionär“ werden wie die Superlative aus den Texten externer Autoren herausgestrichen, weil sie der genauen Beschreibung abträglich sind.
Anfang des Monats hat Gerhard Matzig, Redakteur und Architekturkritiker der Süddeutschen Zeitung, nun unter dem Titel „Wir stellen ein: Titanen“ eine Buchbesprechung veröffentlicht, die jede Form von sprachlicher Zurückhaltung über Bord wirft. Anlass für seine Eloge ist Sophie Wolfrums und Alban Jansons eben erschienene Streitschrift mit dem Aldo-Rossi-Titel „Architektur der Stadt“. Matzig sieht „Ungeheuerliches, Undenkbares, ja Verbrecherisches“ am Werk in den Grundthesen dieser Schrift, die für ihn aufräumen will mit Orten, die „Krankheitserregern und Hautausschlägen ähnlicher sind als Städten“. Die beiden renommierten Stadtplaner fordern, dass architektonisches Denken wieder mitte n hineinzuführen ist in die Stadtplanung. Der Stadtraum sei konkret mit zu planen wie die Grundrisse – kurz, sie fordern, den Städtebau wieder als Architektur zu begreifen. Zwischen all den schreienden Preziosen, die uns der Wachstumsboom der Städte gerade beschert, haben sich an dieser alten Forderung schon viele die Zähne ausgebissen. Was also tun, wenn die Schönheit partout nicht vorankommen will? Auch wir lassen für einen Moment alle Zurückhaltung fahren, stellen uns an die Seite des Münchner Kollegen und fangen an zu brüllen: ARCHITEKTEN UND STADTPLANER, DEZERNENTEN UND BAUBÜRGERMEISTER! WERDET TITANEN! PLANT DAS UNDENKBARE, DAS UNGEHEUERLICHE, JA DAS VERBRECHERISCHE! SCHAFFT SCHÖNE HÄUSER MIT SCHÖNEN RÄUMEN, DIE NICHT BLOSS DEN MARKT BEDIENEN! FÜR EINE UMFASSEND SCHÖNE STADT!

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