Bauwelt

Freihafen-Elbbrücke Hamburg

Die 300 Meter langen Norderelbbrücken sind ein Wahrzeichen von Hamburg. Sie markieren das Ende des seeschifftiefen Hafens der Stadt. Doch der Freihafen-Elbbrücke, dem ältesten Bauwerk des Ensembles, droht der Abbruch. Dabei wäre gerade sie besonders sinnvoll zu erhalten.

Text: Bardua, Sven, Hamburg

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    Auf einer Promenade über die Elbe flanieren? Das nie genutzte Obergeschoss der Freihafen-Elbbrücke könnte zu einem Fuß- und Radweg ausgebaut wer­den.
    Foto: Sven Bardua

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    Auf einer Promenade über die Elbe flanieren? Das nie genutzte Obergeschoss der Freihafen-Elbbrücke könnte zu einem Fuß- und Radweg ausgebaut wer­den.

    Foto: Sven Bardua

Freihafen-Elbbrücke Hamburg

Die 300 Meter langen Norderelbbrücken sind ein Wahrzeichen von Hamburg. Sie markieren das Ende des seeschifftiefen Hafens der Stadt. Doch der Freihafen-Elbbrücke, dem ältesten Bauwerk des Ensembles, droht der Abbruch. Dabei wäre gerade sie besonders sinnvoll zu erhalten.

Text: Bardua, Sven, Hamburg

Seit fast 150 Jahren können die Hamburger ihre Elbe auf Brücken queren und sind nicht mehr auf Fähren angewiesen. Diese einst überragende Leistung wird längst als selbstverständlich angenommen. Seit 1872 kann man per Bahn, seit 1887 auf der Straße über die Norderelbe auf eindrucksvollen Brücken nach Süden reisen. Weitere Brücken gibt es bei Harburg über der Süderelbe. Inzwischen prägen Bauwerke der zweiten und dritten Generation das Ensemble. Die drei Brückenzüge für die Straße wurden 1928 und 1960 eingeweiht, die etwa 200 Meter flussabwärts liegenden Eisenbahnbrücken, ebenfalls drei Brückenzüge, 1927 und 1980.
Neben den Eisenbahnbrücken gibt es, zur Stadt gewandt, einen vierten Brückenzug: die Freihafen-Elbbrücke. Ihr 1914 begonnener Bau wurde wegen des Ersten Weltkriegs 1917 eingestellt und erst 1926 mit einer damals vierspurigen Straße, einem breiten Gehweg und einem Gleis der Hafenbahn fertig. Damit gab es eine leistungsfähige Direktverbindung über die Elbe im stark gewachsenen Seehafen, der als Freihafen zum Zollausland gehörte. Um unnötige Kontrollen zwischen den Hafenteilen zu vermeiden, finanzierte die Zollverwaltung die Brücke mit. Schließlich bekam die Brücke ein nie genutztes Obergeschoss für zwei nach Wilhelmsburg und in den Hafen führende U-Bahn-Linien, die nie gebaut wurden.
Das von Rahmenträgern überwölbte untere Geschoss wird von Autofahrern als Galerie wahrgenommen. Es fällt auf, dass das Bauwerk kräftig ausgeführt ist: Mit einem Stahlbaugewicht von 6.856 Tonnen ist es drei- bis viermal so schwer wie die benachbarten Brücken. Dennoch sei die von der Stadt als Auftraggeber erwünschte statisch-konstruktive Klarheit erreicht worden, resümierte Oberbaudirektor Gustav Leo 1926. Er hatte das von seinem Vorgänger Friedrich Sperber begonnene Projekt mit den Ingenieuren der städtischen Baudeputation fortgesetzt.
Wie die kurz darauf daneben gebauten Eisenbahnbrücken oder auch die Hohenzollernbrücke über den Rhein in Köln besteht die Freihafen-Elbbrücke aus „Deutschen Bögen“. Diese damals von deutschen Ingenieuren auch beispielsweise in Russland und Japan gebaute Form eines Fachwerkbogenträgers mit Zugband ist typisch für damalige Großbrücken. Vermutlich stehen aber in Hamburg die einzigen Deutschen Bögen mit zwei Geschossen. Die drei von der Flender AG für Eisen-, Brücken- und Schiffbau in Benrath errichteten Überbauten haben eine Spannweite von je 99,96 Metern und sind 17 Meter breit. Das Haupttragwerk besteht aus Flusseisen höherer Qualität, das zum ersten Mal in der Stadt eingesetzt wurde. Ein weiterer Clou steckt in den Fundamenten. Erstmals in Deutschland wurden die beiden Widerlager und die zwei Pfeiler mit Senkkästen aus Stahlbeton unter Druckluft hergestellt – ein später übliches Bauverfahren. Für die Pfeiler betonierte die Hamburger Filiale von Dyckerhoff & Widmann die 32 Meter langen Caissons im Dock einer Schiffswerft und schwamm sie dann ein. Unter Druckluft schaufelten sich dann die Arbeiter im Senkkasten – nur zwei Meter an den Holzpfahlgründungen der benachbarten Brücke vorbei – bis zu neun Meter unter die Flusssohle, etwa 13,30 Meter unter dem mittleren Niedrigwasser. Die große Tiefe hatte die Stadt gefordert, um für spätere Elbvertiefungen gewappnet zu sein.
Sogar auswärtige Denkmalpfleger attestieren dem Ensemble mit der Freihafen-Elbbrücke aus technischen, verkehrlichen und städtebaulichen Gründen eine nationale historische Bedeutung. Doch die Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) will die Brücke in Teilen, am liebsten aber ganz durch einen historisierenden Neubau ersetzen. Dies berichtete der damit befasste Werner Lorenz, Professor für Bautechnikgeschichte und Tragwerkserhaltung an der Technischen Universität Cottbus. Dabei eigne sich gerade diese Elbbrücke für einen dauerhaften Erhalt, weil sie extrem solide ausgeführt wurde. Maßgebliche Komponenten des Tragwerks waren und sind nicht ausgelastet, betont er.
Lorenz hat mit seinem Berliner Ingenieurbüro unter anderem die ab 1909 erbauten Hochbahnviadukte der U-Bahn-Linie U2 in Berlin nach einhundert Jahren saniert. Im Juni 2018 folgte das Eisenbahnbundesamt seiner Einschätzung für den Erhalt des 1909 erbauten Chemnitztalviadukts. Die Deutsche Bahn wollte zunächst das beeindruckende Stahlbauwerk in Chemnitz durch einen Neubau ersetzen, weil es sich für den modernen Bahnverkehr nicht sinnvoll hätte ertüchtigen lassen.
Für den Bauingenieur steht die Freihafen-Elbbrücke prototypisch für den „reifen, fetten Stahlbau des frühen 20. Jahrhunderts mit ausdrucksstarken Nietbildern“. Die einst geplante Verkehrsführung auf zwei Ebenen erinnere an damalige Stadtutopien. Mit einem Geh- und Radweg auf der oberen Brückenebene lassen die sich nun verwirklichen, quasi als Hamburger Variante der High Line in New York. Der zweigeschossige Verkehrsweg an zentraler Stelle in der HafenCity hätte für Hamburger Bürger und Besucher großen Charme, zumal daneben am 9. Dezember die neue U-Bahn-Station Elbbrücken eingeweiht wird.
Dagegen steht die Hafenverwaltung nach längeren Überlegungen nun wohl vor der Entscheidung, den Erhalt dieses Baudenkmals nicht mehr ernsthaft zu erwägen, bedauerte Lorenz. Alle vorgelegten Pläne würden ohne Begründung von einem Neubau der Strompfeiler und dem kriegsbeschädigten mittleren Brückenfeld ausgehen. Optionen für Ertüchtigungen würden nicht abgewogen; viele entscheidende Fragen seien für ihn offen.
Es sei nichts einfacher als ein Neubau, räumte Lorenz ein. Doch mit weitergehenden Untersuchungen, die bisher von der Hafenverwaltung abgelehnt würden, und einem international ausgeschriebenen Planungswettbewerb, könnte die Freihafen-Elbbrücke zu einem weltweit einzigartigen Anziehungspunkt weitergebaut werden. Ein Erhalt könne sogar deutlich preiswerter sein als ein Neubau.

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