Bauwelt

Der Fall Woodcube

Text: Kleilein, Doris, Berlin

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Der Entwurf ...
Rendering: IfuH, Berlin

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... und die Realisierung
Foto: Markus Dorfmüller

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Der Fall Woodcube

Text: Kleilein, Doris, Berlin

Wem gehört ein Wettbewerbsentwurf, wenn sich Investor und Architekt nicht einig werden? Im Fall des Woodcube, einem Modellwohnhaus der Hamburger IBA, baute der Investor kurzerhand mit einem anderen Büro weiter. Was war da los? Die Wettbewerbsgewinner Christoph Roedig und Daniel Rozynski von IfuH erläutern ihre Sicht der Dinge.
Ihr Wettbewerbsbeitrag „Woodcube“ wurde 2010 als eines von sechs „Smart Price Houses“ zur Realisierung auf dem Gelände der Bauausstellung in Wilhelmsburg-Mitte ausgewählt. Seit Anfang Mai ist das Gerüst abmontiert, das Haus ist fertig. Als Architekt wird jetzt das Stuttgarter Büro architekturagentur genannt. Ist das nicht mehr Ihr Projekt?
Christoph Roedig | Mittlerweile ist es wieder unser Projekt.
Warum?
CR | Glückliche Fügung. Wir werden den Woodcube jetzt in Berlin-Adlershof bauen, und zwar gleich dreimal. Wir hatten nach alternativen Standorten gesucht, denn ein Prototyp ist ja auf Vervielfältigung angelegt. In Adlershof wurden wir für ein Baufeld des „Wohnen am Campus“-Quartiers ausgewählt.
Das ist ja eine absurde Situation. Könnte Sie, überspitzt gefragt, der Investor, der eigens für den Bau die „Woodcube Hamburg GmbH“ gegründet hat, wegen eines „Plagiats“ verklagen? Wem gehören denn nun die Rechte am Entwurf?
Daniel Rozynski | So genau wissen wir das nicht. Aber wir sind ja nach wie vor die geistigen Urheber. Die Urheberrechte sind bei uns, die Nutzungsrechte bei der IBA. Das Prekäre an der Situation ist, dass nach einigen Umwegen unser Wettbewerbsgewinn fast 1:1 gebaut wurde. Daher fühlen wir uns in unseren Rechten beschnitten. Wenn der Woodcube modifiziert in Barmbek von irgendwem gebaut worden wäre, hätte ich kein Problem. Aber es ist und bleibt ein IBA-Projekt und es tut natürlich weh, weil unsere geistige Vorarbeit auf der Strecke bleibt, viele Stunden, Erkenntnisse, viel private Forschungsarbeit.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem Investor?
CR | Die Vorgabe der IBA war, mit einem Investor anzutreten und die Realisierung bereits „in der Tasche“ zu haben. Wir wollten den Woodcube als Baugruppe realisieren – oder alternativ mit einem Investor. Da gab es zwei Probleme:  Die Inves­toren hatten ein wenig Angst vor der Konstruktion, obwohl diese bereits mit vielen Firmen bis ins Detail geplant war. Für die Baugruppe war der Standort ein Problem.
Hamburg ist doch eigentlich aufgeschlossen in Sachen Baugruppen. Wo lag das Problem genau?
CR | Es war zu früh für eine Baugruppe. Hätten wir auch nur ein halbes Jahr mehr Zeit gehabt, wäre das wahrscheinlich anders gewesen. Wir haben damals auf eigene Faust acht Baugruppensitzungen organisiert und sind dafür von Berlin nach Hamburg gependelt. Da kamen jeweils etwa 20 Interessenten, die das Projekt gut fanden, aber extreme Vorbehalte gegenüber dem „Sprung über die Elbe“ nach Wilhelmsburg auf die damalige Brachfläche der IBA hatten.
Hat Sie die IBA in dieser Zeit unterstützt?
CR | Der IBA dauerte das alles zu lange, verständlicherweise.  Die hatten Angst bekommen, dass das Projekt scheitert. Sie haben uns an einen Investor vermittelt, Herrn Korff von der P&P AG, der später die Woodcube Hamburg GmbH gegründet hat. Der war so begeistert, dass wir nicht weiter auf eine Baugruppe gesetzt haben. Mittlerweile war es auch so, dass unser präferierter Standort am Eingang zum Areal ohne unser Wissen an einen Nachrücker vergeben wurde. Wir mussten das Konzept also auch an den Standort anpassen.
Wann kam es zum Bruch mit dem Investor?
CR | Wir haben eine ganze Weile zusammengearbeitet. Der Investor hat immer wieder Leistungen abgerufen, die wir erbracht haben, bis zur Leistungsphase 4. Es gab ein mündliches Auftragsversprechen und der Vertrag war im Grunde unter Dach und Fach. Dann haben wir erfahren, dass wir den Auftrag nicht bekommen sollen und ein anderes Architekturbüro weitermacht. Wir haben dann zufällig eine IBA-Veröffent­lichung gesehen mit einem Woodcube, der überhaupt nicht mehr unserem Entwurf entsprach. An diesem Punkt haben wir die IBA gebeten, unseren Namen wegzunehmen.
Wie war der Entwurf verändert worden?
CR | Es ging vor allem um die Fassade. Wir haben diese 2,50 Meter weit auskragenden Balkonplatten, die um das Gebäude herum gruppiert sind, mit großen Öffnungen und transparenten Brüstungen  – und dazu kleine, verteilte Fenster. Auf einmal gab es eine Anhäufung von Balkonen auf einer Seite und ein Staffelgeschoss. Es war einfach ein anderes Haus.
Und um welche Konflikte ging es in der Zusammenarbeit?
DR | Wir sind bereits zum Wettbewerb mit einem Team an­getreten, vom Fachingenieur bis hin zu ausführenden Firmen und  Systemherstellern. Es hat sich aber schnell herausgestellt, dass der Investor Teile des Teams austauschen und am liebsten sein eigenes Team unterbringen wollte. Ihm war nicht klar, dass die Beteiligten gewisse Qualifikation brauchen, um ein Forschungsprojekt mit allen technischen Innovationen umzusetzen. Wir haben erklärt, dass er die Mehrkosten für die Fachplaner beim Bauen wieder einspart. Wir haben gegen Honorardumping gekämpft, von der Tragwerksplanung bis zur Architektenleistung, die beide weit unter der HOAI angeboten werden sollten. Das wollten wir nicht.
Herr Korff sieht das anders: Er meint, er hätte mit Ihrem Team nicht den geforderten „smart price“ von 2200 Euro pro Quadratmeter realisieren können.
DR | Das  war der zweite Streitpunkt: die angebliche Kosten­unsicherheit. Der Woodcube ist die Weiterentwicklung der Baugruppe „3xgrün“, einem Holzwohnungsbau, den wir in Berlin gebaut haben (Heft 21.12). Das ist der Prototyp 2.0 – die gleichen Konstruktionsprinzipien, nur als freistehendes Gebäude. Auch die  Hersteller, die ja nach wie vor mit uns arbeiten, haben die Kosten verifiziert.
Die Wohnungen im Hamburger Woodcube werden aktuell für 4500 Euro pro Quadratmeter angeboten.
CR | Das ist die Diskussion, die wir im Nachgang mit der IBA geführt haben: Die IBA behauptet, wir hätten den „smart price“ nicht halten können – nur weil der Investor jetzt die Wohnungen viel teurer anbietet! Die IBA musste das Projekt in den Smart-Material-Sektor stecken, damit es überhaupt noch irgendeinem Anspruch der Bauausstellung genügt.
Welche Kosten hätten Sie denn garantiert?
DR | Die Kosten für das Referenzobjekt in Berlin liegen bei 2240  Euro brutto (KG 100 bis 700). Davon sind 1400 Euro reine Baukosten (KG 300 und 400). Das Grundstück war in Hamburg sogar günstiger. Zusätzlich haben wir die Konstruktion vereinfacht, und es gab diverse Fördertöpfe. Wir sind sicher, dass wir die Kosten gehalten hätten. Allerdings haben wir in Berlin zum Selbstkostenpreis gebaut. Wagnis plus Gewinn plus die Margen eines Investors sind nicht mit eingerechnet.
Sind Sie für Ihre Leistungen bezahlt worden?
CR| Nein. Als wir endlich den Vertrag sehen wollten, ist der Investor abgesprungen. Es laufen verschiedene Mahnver­fahren, aber die Tatsache, dass der Investor eine neue GmbH gegründet hat, macht für uns die Honorareinforderung schwierig. Letztendlich hat er kostenlos den Entwurf bis zur Genehmigungsplanung bekommen und wir sollen uns mit dem Preisgeld (Anm. d. Red.: 10.000 Euro) zufrieden geben.
Noch einmal zum Verfahren. Die IBA hat einen innovativen Wettbewerb durchgeführt, hat aber kein Geld, die Ergebnisse zu realisieren. Was ist besser: Mit einem privaten Investor Kompromisse eingehen – oder gar nicht bauen?
DR| Auf der einen Seite fordert die IBA Innovationen, die jenseits der Norm sind, auf der anderen Seite Konstruktionen, die geprüft und zugelassen sind. Das ist eine Dialektik, die man nicht zusammenbekommt.
CR| Es gibt in der Auslobung den Passus, dass man die Nutzungsrechte für den Entwurf an die IBA abtritt. Die IBA kann im Zweifelsfall auch ohne den Architekten weiterbauen, wie bei den Häusern von Arno Brandlhuber oder David Adjaye  – nur dass die sich anscheinend besser mit dem Investor ge­einigt haben als wir. Wir hatten letztendlich keinen Entscheidungsspielraum: Wir wären ja weiter mitgegangen. 
Fakten
Architekten roedig + schop Architekten, Berlin; rozynskisturm Architekten, Berlin
aus Bauwelt 19.2013
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