Bauwelt

Der Deutsche Pavillon

Pro und Contra

Text: Kleilein, Doris, Berlin; Schade-Bünsow, Boris, Berlin

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Erica Overmeer

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Erica Overmeer


Der Deutsche Pavillon

Pro und Contra

Text: Kleilein, Doris, Berlin; Schade-Bünsow, Boris, Berlin

Kommentar zum deutschen Pavillon der 13. Architekturbiennale
„Eine neue Tonlage“Doris Kleilein

Nach den zwiespältigen Erfahrungen der vergangenen beiden Biennalen kann man aufatmen: Die Münchner Muck Petzet und Konstantin Grcic haben den Deutschen Pavillon mit sicherer Hand gestaltet. Sie gehen souverän, aber gelassen mit dem ungeliebten Gehäuse von 1909/38 um – und sie schaffen es, dem Thema „Bauen im Bestand“ eine gewisse Nonchalance zu geben, eine neue Tonlage hinzuzufügen. Der Beitrag bezieht seinen Charme daraus, dass Projektpräsentation und Raumgestaltung ineinanderfließen. Die großartigen Fotografien von Erica Overmeer, bei denen die Architektur hinter der Vegetation zurücktritt, geben den Ton an: Das Grün und Grau der Fotos geht mit dem Travertinboden eine Verbindung von großer Melancholie ein. Die 16 Projekte kleben als Tapeten auf der Wand, manche werden zum Trompe-l’oeil: Es scheint, als könne man mit einem Schritt im Stuttgarter Kollegien­gebäude oder in einem Berliner Hof stehen. Gewiss, es gibt auch Fragen: Müssen die Texte so kurz sein? Warum gibt es keine Pläne? Warum zweimal Arno Brandlhuber? Doch für die überbordende Schau in Venedig ist dies die richtige Dosis an Information, es gibt ja noch den gut gestalteten und lesenswerten Katalog. Und auch ohne die Lektüre wird klar: Hier geht es nicht um WDVS, sondern um Wahrnehmung, um Verhalten, um andere Sichtweisen. Allein die Verlegung des Eingangs an die Seite hebelt ganz beiläufig die Hierarchie der Räume aus. Die Hochwasserstege sind, ebenso wie der Slogan mit den 3R, nur geliehen. Dieses Plädoyer für die Wertschätzung des Vorhandenen kommt leise daher, nachdenklich, aber mit großer gestalterischer Kraft. Das mag jene nicht erreichen, die gern die Keule schwingen, was Bundesbauminister Ramsauer auf der Pressekonferenz einmal mehr bewiesen hat. Im Rahmen des Möglichen – jedes Konzept muss die auf Leistungsschau getrimmte Jury des BMVBS passieren – erreichen Petzet/Grcic aber 9 von 10 Punkten. Vielleicht sollte man auf die nächste Auswahlrunde verzichten und die beiden ein zweites Mal ans Werk lassen – mit mehr Freiheit. Susanne Gaensheimer, die Kuratorin der Kunstbiennale, darf das ja schließlich auch.


„Zu wenig“
Boris Schade-Bünsow

„Reduce, Reuse, Recycle“, der Titel des deutschen Pavillon ist eine wohl klingende Marketingverpackung für Bauen im Bestand. Die Projekte sind gut in Szene gesetzt. Auf den Objektfotos steht immer ein Baum im Vordergrund. Das alles suggeriert, wie hübsch unser Bestand doch sein kann, wenn man nur ... „Reduce, Reuse, Recycle“.
Die Ausstellung von Generalkommissar Muck Petzet, die von Konstantin Grcic in Form gebracht wurde, fordert dazu auf, die in den Gebäuden steckende graue Energie so gut wie möglich weiter zu nutzen und „die Lebenszeit von Gebäuden mit möglichst minimalen Mitteln zu verlängern“, statt gleich etwas Neues zu bauen.
Dazu wird der Pavillon gut genutzt, besser war er in den vergangenen Jahren kaum inszeniert. Bleibt die Frage, was daran neu ist? Das Thema Bauen im Bestand haben wir in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts durchdekliniert: so wenig wie möglich verändern, behutsam und kontextbezogen sanieren, keine Rekonstruktion, sondern vorsichtig ergänzen, gerne auch modern. Grundrissänderungen sorgen für neue Nutzungen von Strukturen, die wir, so wie sie gedacht waren, nie wieder brauchen.
Auch der zweite Titel der Ausstellung liefert kaum mehr: „Ressource Architektur“. Das war Thema des 21. Weltarchitekturkongresses der Union Internationale des Architectes (UIA) der 2002 in Berlin stattfand. Der damalige Kongress war ein wirtschaftliches Desaster. Dar­über geriet in Vergessenheit, wie gut das Thema damals durchdacht und bearbeitet wurde.
Der deutsche Biennale-Beitrag bringt uns keine neuen Erkenntnisse, dabei haben wir im Bestand eine gewaltige Aufgabe vor uns: 18 Millionen Wohngebäuden, von denen 14 Millionen vor 1978, als die erste Wärmeschutzverordnung in Kraft trat, entstanden sind. Mindestens diese taugen weder für die Energiewende noch für den demografischen Wandel. Aber das Problem zu erkennen, ist noch keine Kunst, es zu lösen, ist die Herausforderung. Wir brauchen eine neue Idee, der Deutsche Pavillon liefert diese nicht.

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