Bauwelt

Vier Wohnhäuser von Peter Salter in Notting Hill


Peter Salter hat in London ein Ensemble von vier kleinen, mit äußerstem Aufwand detaillierten Wohnhäusern gebaut, die Luxus als räumliche Verdichtung definieren. 13 Jahre dauerte, mit Unterbrechungen, der Entwurfs- und Realisierungsprozess. Tausende von Handzeichnungen begleiteten den Bauvorgang. Zeichnen ist für Salter ein physischer Akt, der Architekt ist ein Handwerker eigener Art. In ihrem bis ins Letzte ausgereizten Umgang mit Raum sind die Bauten auch ein antipodisches Denkmal der radikalen Londoner Immobilienspekulation.


Text: Geipel, Kaye, Berlin


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    Blick im Innenhof Richtung Norden. Die hölzernen Läden sind hier geschlossen.
    Foto: Hélène Binet

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    Blick im Innenhof Richtung Norden. Die hölzernen Läden sind hier geschlossen.

    Foto: Hélène Binet

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    Vorstudie für den Innenhof
    Zeichnung: Peter Salter

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    Vorstudie für den Innenhof

    Zeichnung: Peter Salter

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    Fassadendetail mit den hölzernen Klappläden, die als eigene Raumschicht vor die Fenster gesetzt wurden.
    Foto: Hélène Binet

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    Fassadendetail mit den hölzernen Klappläden, die als eigene Raumschicht vor die Fenster gesetzt wurden.

    Foto: Hélène Binet

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    Zur Straße eine wenig auffällige Putzfassade. Sie verdeckt im Obergeschoss eine jurteartigen, mit Lehm verkleideten Kuppelbau.
    Foto: Hélène Binet

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    Zur Straße eine wenig auffällige Putzfassade. Sie verdeckt im Obergeschoss eine jurteartigen, mit Lehm verkleideten Kuppelbau.

    Foto: Hélène Binet

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    Schwarze geschwungene Stahlwand zum Badezimmer in Haus A.
    Foto: Hélène Binet

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    Schwarze geschwungene Stahlwand zum Badezimmer in Haus A.

    Foto: Hélène Binet

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    Zeichnung: Peter Salter

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    Zeichnung: Peter Salter

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    Garage Level
    Zeichnung: Peter Salter

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    Garage Level

    Zeichnung: Peter Salter

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    Upper Ground Floor
    Zeichnung: Peter Salter

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    Upper Ground Floor

    Zeichnung: Peter Salter

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    First Floor
    Zeichnung: Peter Salter

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    First Floor

    Zeichnung: Peter Salter

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    Second Level
    Zeichnung: Peter Salter

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    Second Level

    Zeichnung: Peter Salter

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    Konstruktion der Kuppelbauten, die in jedem der vier Häuser den oberen Abschluss bilden.
    Zeichnung: Peter Salter

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    Konstruktion der Kuppelbauten, die in jedem der vier Häuser den oberen Abschluss bilden.

    Zeichnung: Peter Salter

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    Foto: Hélène Binet

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    Foto: Hélène Binet

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    Foto: Hélène Binet

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    Foto: Hélène Binet

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    Obere Reihe: Kuppelraum, Kaminzimmer, Stahl­-
    treppe und Wohnküche; links: Kuppelraum mit
    Sternendecke und gewebtem Kupfervorhang
    Foto: Hélène Binet

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    Obere Reihe: Kuppelraum, Kaminzimmer, Stahl­-
    treppe und Wohnküche; links: Kuppelraum mit
    Sternendecke und gewebtem Kupfervorhang

    Foto: Hélène Binet

Eine Mail von Liza Fior vom Architektinnenkollektiv MUF weist mich Mitte November auf vier Häuser von Peter Salter hin: „Although there is a UK publicity binge actually the project is so rich in detail and thinking about density that I thought it would be a fit for you“.
Dass Liza Fior, unermüdlich für soziale Belange eintretende Architektin und Aktivistin, vier Bauten der Londoner Luxusklasse empfiehlt, macht mich neugierig. Die Häuser in Notting Hill, einem der teuersten Quartiere der Stadt, stehen kurz vor der Fertigstellung. Ich vereinbare einen Termin mit dem Architekten. Peter Salter geht seit über dreißig Jahren ein legendärer Ruf als Architekturzeichner voraus. Er ist das, was man einen „Paper Architect“ nennt. In seiner langen Karriere hat er zwei extravagante Pavillons in Japan gebaut, mehr nicht. Er war Mitarbeiter bei den Smithsons, hat viele Jahre an der Londoner Eliteschule AA unterrichtet, war unter anderem Lehrer von Peter St John, Louisa Hutton und Margrét Hardardóttir. Beeinflusst hat er durch seine suggestiven Zeichnungen, die einen ganz eigenen Sog erzeugen, sich die gebaute Realität anders vorzustellen. Salter zeichnet seine exaltierten städtischen Räume so, dass die dicht aneinandergerückten Fassaden die modernen Stadtstrukturen gliedern und zu individuel­-len Körpern umfunktionieren, ohne dass diese ihren großen Maßstab verlieren. Zwischen den meist leicht gekippten Wänden bewegen sich selbstbewusste Bewohner, die dem Gewicht und der Masse der Raumbegrenzungen standhalten. Sie haben schwere, in sich ruhende Körper und sind häufig nackt, was logisch erscheint, weil die Architekturflächen natürliche Farben haben und viel Wärme ausstrahlen. Peter Salter selbst gleicht einer Gestalt aus einem Film von Peter Greenaway und seine Sympathie für die üppigen Figuren, die sich in seinen Zeichnungen tummeln, ist unschwer zu erkennen.
Walmer Yard
13 Jahre lang hat Salter an den vier Häusern entworfen und detailliert, insgesamt 10 Jahre dauerte, mit Unterbrechungen, der Bauprozess. Mit dabei war Salters Büropartnerin, Fenella Collingridge. Da beide an verschiedenen Unis unterrichten, wurde oft in Nachtschichten im nahegelegenen Pub gezeichnet. Maßgeblich umgesetzt wurden die Häuser von Daren Bye, einem kleinem innovativen Bauunternehmer, der viele der gezeichneten Fenster-, Decken- und Wanddetails in seinen Werkstätten erst als 1:1 Modell überprüfte und dann vor Ort umgesetzt hat. Finanziell ermöglicht wurde das Bauvorhaben an einem Ort, wo die durchschnittlichen Immobilienpreise für eine Wohnung bei 1,6 Millionen Pfund liegen, durch den Projektentwickler Crispin Kelly. Kelly, selbst ausgebildeter Architekt, hat das inzwischen sündhaft teure ehemalige Werkstatt-Grundstück, das umgewidmet wurde, vor Jahren gekauft, ohne Bauherren entwickelt und verkauft es jetzt mit sattem Gewinn.
Als ich den Bau an einem kalten Dezembernachmittag besuche, ist von der Straße her kaum etwas zu sehen von der inneren Welt, die die vier 130 bis 260 Quadratmeter großen Häuser mit­einander verbindet. Nach außen gibt es wenige unregelmäßig gesetzte Fenster, einen dezent graublauen Rauputz und einen etwas auffälligeren, quer gestreiften Sichtbetonsockel im Erd­geschoß. Eine Ortbetonkonstruktion, die bis unters Dach reicht, bildet das innere Gerüst der vier unterschiedlichen Häuser, die sich mit ihren Vor- und Rücksprüngen bis auf wenige Meter nahe kommen. Ein Spalt in der Mitte der Straßenfassade führt ins Innere des Courtyards. Es gibt eine aufsteigende Treppenrampe auf einen winzigen, holzbepflasterten Hof und eine weitere für die Autos hinab in den Keller. Dieser Spalt ist wie ein Raumkeil zwischen die in die Luft gehängten Fassadensegmente der vier Häuser getrieben, die gerade so zu halten scheinen.
Im Hof sieht man dann hinter den beweglichen, leichten Holzläden der Fassade die Stahlbeton­struktur, die die fragile Gesamtkonzeption zusammenhält. Der Eindruck eines gerade noch so ausbalancierten Ensembles setzt sich fort in den Grundrissen, deren jeweils anders gestaltete Räume ineinander übergehen, ohne dass auf die Pufferfunktion winziger Übergangszonen verzichtet wird. Raumform und mögliche Bewegungszonen der Bewohner sind in diesem Entwurf gleichwertige Parameter, so dass man von der Rationalität organischer Formen im Sinne eines Bruno Zevi nicht mehr sprechen kann. Es wirkt eher so als seien die Räume, Vorräume und Übergangszonen um eine Vielzahl unterschied­licher Bewegungsabläufe herum gebildet, als wären die Drehungen und Wendungen der Nutzer ein ständig neu geschriebenes poetisches Drehbuch, das die Architektur berücksichtigen muss.
Schwarze, elliptische Stahltreppen wechseln über zu geschwungenen Podesten aus Stahlbeton, die den Aufstieg und Abtritt ermöglichen, genauso, wie die Fußböden unmerklich von der einen in die andere Materialität überwechseln. Die Schlafzimmer liegen, geschützt durch Vorsprünge, an der Erschließung, und wenn der postmoderne Begriff der „Pochés“ hier eine Rolle spielt, so in den mittelalterlich wirkenden Vorbereichen und Loggiazonen des Schlafgeschosses. Jeweils angrenzend dann die schwarz und rot lackierten Badezimmer, deren halbseitig umschlossene Badewanne aus einem futuristischen Minimalwohnkonzept der Smithsons zu stammen scheint. Über allem thront in jedem Haus eine intime Kuppel, ein Sternensaal mit brokatartigen, goldenen Wandbehängen, der als jurteähnlicher Kuppelbau aus Lehm prismatische Glasbausteine aus Vollglas aufweist, die noch den letzten Sonnenstrahl in ein irisierendes Licht verwandeln und aus dem Bootsbau stammen. 20 Leute, so wird mir erklärt, haben in diesem Raum schon um einen Tisch Platz gefunden haben, ein Dinner der Londoner Architekturprominenz. Es muss eng gewesen sein. Dieses Haus addiert Wunderkammern als dreidimensionale Collage, ohne an irgendeiner Stelle ein klassisches Ideal anzustreben.
Who will buy these houses?
Wir stehen auf der Dachterrasse von Haus C im Nordosten, vor uns der idyllische Holland Park, im Hintergrund die City. Ich frage nach den künftigen Bewohnern. Fenella Collingridge sagt: „Damit haben wir nichts zu tun.“ Es sind zwei Welten, die der Architekten und die der Vermarktung solcher Häuser, die sich nicht mehr berühren. Einen Wunsch schiebt sie nach: „Gefallen würde mir ein Musiker-, ein Künstler-, ein Ingenieur- und ein Ärztepaar – eine Art soziales Experiment.“
So wird es nicht kommen. Die vier Häuser werden angeboten für 22 Millionen Pfund. Sie haben zusammen 843 Quadratmeter Nutzfläche, macht knapp 27.000 Pfund pro Quadratmeter. Das ist auch für dieses Viertel mit seinen extremen Preisen enorm.
Letzte Station der Besichtigung ist das Untergeschoss. Wir passieren einen schallgeschützten Raum zum Musikhören, rundum in Handarbeit ausgekleidet wie ein geflochtener Weidenkorb. Wir erreichen den Keller. Schräge Abfahrt, dann ein blitzender Stern in der Mitte, eine kleine Drehscheibe aus verzinktem Stahl: „Gerade so viel Platz für vier Autos, für einen Porsche oder einen Geländewagen.“ Fenella sagt „Porsch“, es klingt fehl am Platz in diesem ausgefeilt luxuriösen Ambiente. Nichts an diesen Häusern ist vulgär. Sie sind so englisch wie überhaupt nur möglich und konzentrieren den Reichtum wie wertvolle japanische Lackarbeiten auf winzige Teile, die wieder und wieder bearbeitet werden, bis sie stimmen. Auch der gemeinsame Garagenkeller strahlt in einem warm temperierten Licht, bringt die stimmige Behaglichkeit auf den Punkt.
Abstandsloser Luxus
Gerade deswegen können diese Häuser Angst machen. Sieht so der neue innerstädtische Luxus aus? Dichter und enger können Wohnhäuser nicht zusammenrücken, ohne zu verschmelzen. Der verbliebene letzte Ausweg wäre nur, in den Boden zu gehen um dort zusätzlichen Raum zu kapern. Das passiert in London längst.
Die Utopie der vier Häuser von Walmer Yard liegt darin, zu zeigen, wie man Bewohner mit mi­nimalem Abstand zusammenbringen und ihnen gleichzeitig mit raffiniertesten Details ermöglichen kann, dass Privatheit und Individualität gewahrt bleiben. Die entscheidenden Architekturelemente sind die räumlichen Abgrenzungen, die hölzernen Läden und die diaphanen Vorhangelemente, die solch eine poetisch aufgeladene Privatheit erlauben und die Peter Salter – das macht sein Können aus – trotz der Schwere der Gesamtkonzeption wie fliegende Elemente in den Raum gehängt hat.
Die vier Häuser von Walmer Yard sind ein exquisites architektonisches Statement. Sie verkörpern aber auch die Dystopie einer Stadt, die jedes Maß im Umgang mit dem kollektiven Boden verloren hat.



Fakten
Architekten Peter Salter
Adresse 235–239 Walmer Rd, London W11 4EY, Vereinigtes Königreich


aus Bauwelt 1.2017
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