Bauwelt

Stiftungsgebäude MAST


Geschichtete Kuben


Text: Redecke, Sebastian, Berlin


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    Foto: Christian Richters

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In der unscheinbaren Vorstadt von Bologna ist dem römischen Architekturbüro Labics ein Coup gelungen. Das Gebäude für die Stiftung MAST entpuppt sich hinter Kuben mit gleichförmigen Fassaden als komplexe, bestens detaillierte und ausgestattete Raumkomposition für ganz unterschiedliche Nutzungen
Um diesen Gebäudekomplex in der westlichen Vorstadt von Bologna zu verstehen, ist es zunächst wichtig, die Bauherrin,  Isabella Seràgnoli, kurz vorzustellen: Sie ist die Chefin des Unternehmens Coesia Group, das mit 1200 Mitarbeitern allein am Hauptsitz Bologna faszinierende feinmechanische Verpackungsmaschinen herstellt, zum Beispiel für das Einpacken von 1000 Bonbons in einer Minute! Auch Maschinen für die Zigarettenschachtel-Produktion und spezielle Förderbänder gehören zum Programm des Unternehmens.
Die Architekten bezeichnen Seràgnoli als „Persona molto illuminata“. Sie engagiert sich besonders für ihre Belegschaft und errichtete für 40 Millionen Euro einen Neubau auf einer Industriebrache unmittelbar neben dem Unternehmenssitz, in dem sich das 1450 Quadratemeter große Mitarbeiterrestaurant mit 400 Plätzen sowie Sporteinrichtungen und eine Kindertagesstätte befinden. Damit nicht genug. Sie wollte diese Einrichtungen mit Ausstellungs- und Veranstaltungseinrichtungen kombinieren, die auch den Bewohnern des Quartiers offenstehen. So soll eine Brücke geschaffen werden zwischen dem Unternehmen und der Stadt. Außerdem befinden sich im Gebäudekomplex acht unterschiedlich große Schulungsräume der von ihr geleiteten „MAST Academy“. Der Name Fondazione MAST steht für Manifattura di Arti, Sperimentazione e Tecnologia.
Zwei Wege
Während die Mitarbeiter den Komplex im Erdgeschoss betreten, direkt vom Firmengelände aus auf der Rückseite, gelangen die Besucher auf der Vorderseite in das Gebäude. Zwei parallel verlaufende Rampen führen von der Via Speranza in ein offen gelassenes Zwischengeschoss. Es dient als verschattete Piazza mit Zugang zu einem Café und dem Foyer. Hier schließen sich die Ausstellungsflächen, der große Vortragssaal mit 400 Plätzen und die Räume der Akademie an. Diese sehr enge Verzahnung der verschiedenen Nutzungen war so gewünscht. Im Erdgeschoss durchquert eine offene Passage das Ensemble.
Im Gegensatz zu den ganz unterschiedlichen Nutzungen weist das Äußere, mit Ausnahme der Nordostseite der Kindertagesstätte, eine einheitliche, neutrale Struktur auf. Es handelt sich um eine Doppelfassade: außen eine helle, feingliedrig serigrafierte Glashaut und innen schmale, geschosshohe Fenster, die sich zum Lüften teilweise ein wenig öffnen lassen. Von innen blickt man wie durch einen Schleier in die Umgebung. In manchen Bereichen, wie zum Beispiel im Vortragssaal, gibt es anstelle der Fenster eine Wand. Dies nimmt man aber von außen nicht wahr. Bei Dunkelheit ändert sich das Bild vollends. Der Betrachter auf der Straße gewinnt durch die nun sichtbaren Innenräume des erleuchteten Gebäudekomplexes einen anderen Eindruck. Das MAST ist plötzlich völlig offen. Die einheitliche Fassade wirkt aber auch am Tage niemals abweisend.
Der Ausstellungsbereich untergliedert sich in eine raffinierte und amüsante, multivisuelle Präsentation der Produkte des Unternehmens und einen deutlich größeren Bereich für temporäre Kunstausstellungen der Stiftung. Zurzeit ist „Industrial Worlds 014“ zu sehen, kuratiert von Urs Stahel, ehemals Direktor des Fotomuseums in Winterthur.
In allen Räumen und in den Erschließungszonen überraschen die sorgfältig geplanten Details und die Auswahl der Materialien. Selbst die dreigeschossige Tiefgarage wurde davon nicht ausgenommen. Der Vortragssaal ist mit Holz getäftelt. Die Lamellen an den Seitenwänden sind entsprechend den akustischen Erfordernissen drehbar. Da der Saal zur Straße hin weit auskragt, war eine mächtige Stahlfachwerkkonstruktion erforderlich. Die Bauherrin wünschte, anders als von den Architekten geplant, dass der Stahl wie beim Rohbau sichtbar bleibt. Er wurde nur gestrichen und passt nicht zum übrigen Interieur. Die Ausstellungsflächen auf drei Ebenen sind teilweise mit Wänden abgetrennt und über Rampen und Treppen miteinander verbunden, die eine Höhendifferenz von fünf Metern ausgleichen. Die Flächen werden nur von oben belichtet. Besonders gelungen ist der helle Terrazzo alla veneziana mit dem lebendigen schwarzen Muster, der von dem in Italien sehr bekannten Laboratorio Morseletto aus Vicenza hergestellt wurde. Kunst durfte nicht fehlen. In der Erschließungshalle hängt die Kugel „Collective Movement“ von Olafur Eliasson, oben im Foyer die Schale „Shine“ von Anish Kapoor, der „Coffee table“ von Donald Judd und die Kugel „Sfera“ von Arnaldo Pomodoro. All dies erwartet man nicht in einem Gebäude, das eher versteckt in der Vorstadt steht.
Gleiches trifft auch für die Kindertagesstätte zu. Eine solche Einrichtung mit soviel Raum, mit Luxusausstattung und besten Möglichkeiten der Betreuung habe ich zuvor noch nicht gesehen. Platz ist für nur 80 Kinder. Wer von der Belegschaft sein Kind hierher schickt, konnte ich nicht herausfinden. Der ebenfalls sehr gut ausgestattete Sportclub befindet sich unterhalb der breiten Rampe. Statt eines Schwimmbads entschied man sich für einen Basketballkorb und eine Sauna. Dieser Bereich ist auch für die Anwohner zugänglich.
Schon einmal gesehen
Insgesamt hat man vor allem bei den Fassaden den Eindruck, alles schon einmal bei anderen Architekten gesehen zu haben – aber deren Ideen wurden hier mit großer Sorgfalt nachempfunden. Dazu gehören zum Beispiel Chipperfields Glashaut-Museen in den USA. Sauerbruch Hutton standen bei der Fassade der Kindertagesstätte mit mehrfarbigen, senkrecht montierten Stäben Pate, und bei den gläsernen Rundräumen ist man an Arbeiten von SANAA erinnert. Das Gesamtkonzept jedoch ist insgesamt sehr stimmig. Nirgends hat man den Eindruck, hier sei wahllos adaptiert worden. Auch stadträumlich gelingt den Architekten mit der Komposition flacher Kuben ein guter Übergang von den kleinen Vorstadthäusern an der Straße zum Firmengelände und den angrenzenden Wohnblocks.
Es ist allerdings bedauerlich, dass die große Geste der Rampen durch einen Sicherheitszaun entlang der Straße mit einem streng kontrollierenden Pförtner verloren gegangen ist. Warum dieses große Sicherheitsbedürfnis? Gerade diese Barriere entspricht nicht der Intention des Gesamtkonzepts von Isabella Seràgnoli, ein offenes Haus der Begegnung mit einem zwanglosen Zugang der Anwohner. Zu Beginn der Planung – noch ohne Abriegelung – hatte man sogar die Idee, in der Achse der breiten Rampen einen Verbindungsweg über die Straße hinweg bis zum Grünstreifen auf der gegenüberliegenden Seite fortzuführen, der weiter westlich an der Parklandschaft des Flusses Reno endet.



Fakten
Architekten Labics, Rom
Adresse via Speranza, 42 40133 Bologna


aus Bauwelt 13.2014
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