Bauwelt

Stadtarchiv von Bordeaux


Das neue Stadtarchiv von Bordeaux steht außerhalb. Die wenigen Besucher rechtfertigen die Entscheidung. Das dort geplante Stadtquartier lässt aber noch auf sich warten. Robbrecht en Daem inszenieren den Lesesaal mit gestapelten Archivboxen aus Beton.


Text: Redecke, Sebastian, Berlin


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    Zugang zum Archiv, links die Pergola mit der Glyzine.
    Foto: Philippe Caumes

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    Zugang zum Archiv, links die Pergola mit der Glyzine.

    Foto: Philippe Caumes

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    Die Westfassade des Lesesaals mit der schallschluckenden Innenhaut aus und dem transluzenten Oberlichtband.
    Foto: Frédéric De Vylder

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    Die Westfassade des Lesesaals mit der schallschluckenden Innenhaut aus und dem transluzenten Oberlichtband.

    Foto: Frédéric De Vylder

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    Vertikale Vierkanthölzer im Lesesaal
    Foto: Sebastian Re­decke

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    Vertikale Vierkanthölzer im Lesesaal

    Foto: Sebastian Re­decke

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    Der Lesesaal profitiert von einem Luftraum bis zum Dach.
    Foto: Philippe Caumes

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    Der Lesesaal profitiert von einem Luftraum bis zum Dach.

    Foto: Philippe Caumes

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    Auf der Südseite liegen die schlichten Gänge ...
    Foto: Phi­lippe Caumes

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    Auf der Südseite liegen die schlichten Gänge ...

    Foto: Phi­lippe Caumes

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    ... zu den in vier Blocks gegliederten Archiven.
    Foto: Phi­lippe Caumes

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    ... zu den in vier Blocks gegliederten Archiven.

    Foto: Phi­lippe Caumes

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    Das Bestandsgebäude, die alte Lagerhalle, wurde durch ein Feuer weitgehend zerstört. Beim Bau des Archivs waren nur die Außenmauern vorhanden.
    Foto: Robbrecht en Daem

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    Das Bestandsgebäude, die alte Lagerhalle, wurde durch ein Feuer weitgehend zerstört. Beim Bau des Archivs waren nur die Außenmauern vorhanden.

    Foto: Robbrecht en Daem

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    Das Gebäude mit den Gleisen vor dem Brand.
    Foto: Robbrecht en Daem

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    Das Gebäude mit den Gleisen vor dem Brand.

    Foto: Robbrecht en Daem

Das Archiv der Stadt befand sich bis 2016 im denkmalgeschützten Hôtel de Ragueneau aus dem 17. Jahrhundert. Das Gebäude im historischen Zentrum war dringend sanierungsbedürftig, die alten Stuckdecken des Lesesaals muss­ten sogar mit Gerüsten abgestützt werden. Außerdem war nicht mehr ausreichend Platz für das Archiv vorhanden. Das große Eingangstor in den Hof des Gebäudes wird von einem kunstvoll gestalteten Geländer bekrönt, bewachsen mit einer angeblich 150 Jahre alten Glyzine. Die Rankepflanze am Eingang wurde zum Symbol der Einrichtung. So entschied man sich, einen Steckling an einer speziell dafür errichteten Pergola neben der Einfahrt in den Hof des neuen Archivgebäudes einzupflanzen. Beim Besuch im April war von der Pflanze, die an die bedeutungsvolle Geschichte der Einrichtung erinnern soll, nicht viel zu sehen.
Der Lesesaal im Neubau ist weit mehr als bei einem Stadtarchiv üblich: eine imposante, bis unter das Dach reichende Raumkomposition mit ungewöhnlichen Maßen und großer baulicher Prägnanz. Stützenfrei, bis hoch oben übereinander gestapelt und sich in den Luftraum hineinschiebend, zeigen sich jeweils in vier Einheiten unterteilte Sichtbeton-Kuben, in denen das Kostbare aufbewahrt wird. Zudem heben sich im Saal vor allem der Teppich in kräftigem Blau und die lärmschluckenden hölzernen Vierkanthölzer an den Wänden mit im Detail präzis gestalteten Ausformungen und dezenter Farbigkeit hervor. Panoramafenster lassen einen weiten Blick über den Eingangshof zu. Sie erhielten bronzefarbene Aluminiumrahmen, umgeben von einer Verkleidung aus Douglasie-Brettern. Ganz oben, vis-à-vis der obersten zwei Betonkuben des Archivs, ist auf ganzer Länge des Gebäudes eine transluzente Polyesterfläche zu sehen, die diffuses Licht durchlässt. Diese große, erhaben wirkende Inszenierung versetzt mich in Erstaunen, denn der Saal hat kaum Publikumsverkehr und nimmt daher entlang der Fensterreihe nur 40 Leseplätze auf. Dennoch hat man sich für dieses Volumen mit Blick auf die Archivboxen entschieden. Für die Besucher sind sie immer präsent, vielleicht soll der imposante Raum einen Eindruck vom Umfang des Aufbewahrten vermitteln: Im Gebäude gibt es 13 Kilometer bereits gefüllte Regale, fünf weitere Kilometer sollen noch frei sein.
Die Genter Architekten Robbrecht en Daem, die den Wettbewerb 2010 gewannen, haben ihren Bau in die Fassaden einer ehemaligen Lagerhalle von 1852, aus den frühen Jahren der französischen Staatsbahnen, eingefügt. Die alten Gleise sind teilweise noch auf den Freiflächen zu sehen. Dazu kommt eine markante Aufstockung des Satteldachs und ein niedriger Seitenflügel, der der Verwaltung, einen kleinen Vortragsraum und einem Aussstellungssaal vorbehalten ist. Auch der Eingangsbereich befindet sich hier. Besucher betreten das eigentliche Archiv über einen konisch geschnittenen Durchgang, die Mitarbeiter im ersten Obergeschoss über eine Passerelle, die einen Einblick in den Lesesaal gewährt. Die Erhöhung des Dachs wurde mit einer Zinkstehfalzdeckung und nach Norden teilweise mit dem bereits erwähnten transluzentem Po­lyester ausgeführt. Da das Dach der Lagerhalle nach einem Brand nicht mehr vorhanden war, waren große Freiheiten der Gestaltung mög­lich. Es wurde von den Architekten in einer „freien Komposition“ in der Form angehoben, dass die drei obersten Archivboxen versetzt gestapelt Platz finden. Außerdem war ausreichend Raum für den Lesesaal und auf der Südseite für die Erschließungsgänge der Archive erforderlich. Vor allem beim Blick auf die Stirnseiten ist die Gebäudeform irritierend. Man gewinnt den Eindruck, dass neue Nutzungen nicht in den vorhandenen Bau hineinpassen wollten und sich so, wie man es braucht, nach oben ausgebreitet hat.
Innen ist der Eindruck ein ganz anderer. Hier erlebt der Besucher einen fulminanten Lesesaal und nimmt zudem wahr, dass jedes Detail der Ausgestaltung Beachtung fand und mit großer Sorgfalt in Szene gesetzt wurde. Erst oben, auf den Ebenen der vier gestapelten Betonblöcke des Archivs, nimmt sich die Gestaltung zurück, und man ist fast nur noch von Sichtbeton umgeben. Die Archive werden auf der Südseite über Flure erschlossen, die zur zweifach geknick­ten Dachunterseite offen sind. Durch die Abtreppung und die Knickungen ergibt sich trotz der kargen Gestaltung wie beim Lesesaal auf der anderen Seite des Gebäudes ein eindrucksvoller Luftraum. Die Magazine sind ihrer Aufgabe entsprechend nicht viel mehr als flache Räume mit den üblichen Lagervorrichtungen, meist Rollregale.
Das Archiv befindet sich im Entwicklungsgebiet Bastide-Niel, das zu einer weit größeren Planung mit neuen Stadtquartieren rechts der Garonne gehört. Noch tut sich die Stadt mit der Aktivierung dieses großen Areals schwer. Das Gebäude steht weitgehend alleine. Demnächst wird weiter südlich in Floriac Rudy Ricciottis neue Veranstaltungshalle von Bordeaux für 10.000 Zuschauer fertig sein. Mit dem Bau der Brücke „Jean-Jacques Bosc“ von Rem Koolhaas wird in diesem Jahr begonnen.



Fakten
Architekten Robberecht en Daem Architekten, Gent; HOBO architecture, Lormont
Adresse Parvis des Archives, 33100 Bordeaux, Frankreich


aus Bauwelt 15.2017
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