Bauwelt

Medas Haus in Feleacu


Die Geschichte einer Aneignung


Text: Bucsa, Tibi, Cluj-Napoca


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    Bauen für den schlimms­ten Fall: Die Holzkonstruktion wurde auf die Parameter „schlechteste Materialqualität“ und „ungelernte Handwerker“ hin dimensioniert
    Foto: Architekten

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    Bauen für den schlimms­ten Fall: Die Holzkonstruktion wurde auf die Parameter „schlechteste Materialqualität“ und „ungelernte Handwerker“ hin dimensioniert

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    Unverbaubar ist der Blick in die Weite: Für eine Meteorologin war der Bauplatz in den Bergen bei Cluj ideal
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    Unverbaubar ist der Blick in die Weite: Für eine Meteorologin war der Bauplatz in den Bergen bei Cluj ideal

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    Gerade einmal 30 Quadratmeter misst das Erdgeschoss, ...
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    Gerade einmal 30 Quadratmeter misst das Erdgeschoss, ...

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    ... hinzu kommt die 20 Quadratmeter große Loggia – genug für die Bauherrin und ihren Partner.
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    ... hinzu kommt die 20 Quadratmeter große Loggia – genug für die Bauherrin und ihren Partner.

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    Im Obergeschoss werden Wildkräuter getrocknet und Gäste beherbergt.
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    Im Obergeschoss werden Wildkräuter getrocknet und Gäste beherbergt.

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    Im Lauf der Jahre hat die Meteorologin das Gartengrundstück mit verschiedenen Klein- und Kleinstarchitekturen in Besitz genommen.
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    Im Lauf der Jahre hat die Meteorologin das Gartengrundstück mit verschiedenen Klein- und Kleinstarchitekturen in Besitz genommen.

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Medas Haus ist eines unserer Projekte, die wir auch dann noch regelmäßig besuchen, wenn unsere Arbeit als Architekten längst getan ist. Dafür gibt es gute Gründe: Aus der Stadt sind es mit dem Auto nicht mehr als 15 Minuten hierher, aber manchmal ist es so, als sei man am Ende der Welt. Und immer ist etwas anders geworden im Haus oder in seiner Umgebung. Einmal ist es die Farbe des Holzes, das altert, ein Baum, der gewachsen ist, oder irgendwelche Anbauten erscheinen am Haus und drumherum. Aber es gibt natürlich auch die unveränderten und vertrauten Dinge, Yoda, die Katze, Medas Gastfreundschaft, ihr selbstgemachter Cidre, der Kaffee, den wir mitbringen, und die Fotos, die wir machen, um das Tagebuch des Hauses weiterzuschreiben. Aber in dem Punkt stellt sie sich immer an.
Um einen Text zu diesem Haus und seiner Geschichte gebeten, werde ich den Versuch unternehmen  und von den kleinen Abenteuern des Making-of erzählen und von den Wandlungen, die das Haus durchläuft, seit es 2010 bezogen wurde. Meda, eine junge Meteorologin, wollte sich ein eigenes Haus bauen, irgendwo außerhalb der Stadt, an einer Stelle, von der aus man einen weiten Blick in den Himmel und seine Wolken hat. So einen Ort suchte und fand sie in einem nahe der Stadt Cluj gelegenen Dorf, ein schmales Grundstück an einem Steilhang, so weit abseits und so weit oben, dass keine späteren Bauten die Sicht auf die unendliche Landschaft, die sich von hier aus nach Süden ausbreitet, würden nehmen können. Das Budget war schmal, 20.000 Euro, aber es hat gereicht, das Haus bewohnbar zu machen.
Die kompakte Kiste, die talseitig weit geöffnete Wand, (gebäude)tiefe Loggien, ein Erdgeschoss mit Treppen sind die naheliegenden Antworten auf die Gegebenheiten. Auch die Entscheidung für einen Holzbau schien auf der Hand zu liegen und nur „natürlich“ zu sein: Holz ist in Rumänien das preiswerteste Material auf dem Markt. Aber es hat leider einen Haken: Nur wenige Handwerker können wirklich damit umgehen. So mussten die Tragwerksplaner mit einem Worst-Case-Szenario rechnen, das so lautete: Der Bauherr wird sich, das stand fest, für das billigste Holz auf dem Markt entscheiden (billig = schlechteste Qualität, das heißt mit der wahrscheinlich höchst möglichen Anzahl von Astlöchern und Unreinheiten pro Quadratmeter). Dazu kommt, die Bauunternehmer werden, um Geld zu sparen, mit ungelernten Arbeitskräften arbeiten. Mit anderen Worten: Sie konnten sich in ihren Berechnungen nicht unbedingt auf zimmermannsmäßig korrekte Verbindungen verlassen. Daraus resultiert ein weiterer Widerspruch: Die Konstruktion ist überdimensioniert, noch dazu sind die Verbindungen aus Metall – beides teuer, aber haltbar; dennoch: für eine angestrebte Low-Budget-Konstruktion ... Der Witz an der Geschichte ist: Das Material war in der Tat unterste Qualität, was aber in meiner Sicht den Innenwänden eine reiche Textur verleiht durch all die Astlöcher, die die Wand wie Punkte übersäen. Und: Der Bauunternehmer hat sich, ganz anders als erwartet, als ziemlich geschickt im Zimmermannsgewerbe herausgestellt, was es ihm auch erlaubte zu bemerken, die übertrieben robuste Konstruktion würde „einen Atomkrieg überstehen“.
Wenn ich anfangs erwähnte, dass das Budget ausreichte, das Haus bewohnbar zu machen, muss ich hinzufügen, dass „bewohnbar“ den heute erreichten Zustand meint und man die stetigen Transformationen über die Zeit hinweg berücksichtigen muss, die nicht einkalkuliert waren. Aber in dem Winter, in dem Meda einzog, war das Haus so weit fertig: eine Spüle und eine Dusche (an der Stelle einer Treppe, die durch eine einfache Leiter ersetzt worden war), eine „ökologische“ Toilette außerhalb des Hauses, Brauchwasser wurde aus Niederschlägen gewonnen, Trinkwasser aus einer nahen Quelle geholt, ein Ofen zum Kochen und Heizen war da, eine Matratze und eine Katze. Das Dorf hat keine Wasserver- und Entsorgung, aber es soll wohl bald eine geben, wahrscheinlich, vielleicht.
Während der Bauzeit und auch danach wurden Änderungen vorgenommen und Kompromisse eingegangen, aber nicht unbedingt im schlechtesten Sinne. Die obere Loggia wurde auf dieser Ausbaustufe geschlossen und in einen Wintergarten umgebaut, ein Regenschutz oberhalb der unteren Terrasse angebracht, alles in Polykarbonat. Auch die Fenster sind nicht aus Glas, sondern aus demselben Polykarbonat, diesem unschön alternden Material, aber seine Textur, zusammen mit der Textur des Holzes und der Bambus-Jalousien, lassen es wenigstens halbwegs interessant aussehen.
Die Wände der Terrassen sind nach innen nicht geschlossen und mit Holz verkleidet, sondern werden als zusätzlicher Stauraum genutzt, für alle Dinge, die sich im Alltag so ansammeln. So hat man eine Art Regale, die den ganzen Raum wohnlich erscheinen lassen und in der warmen Jahreszeit auch „begrünen“, dank der wohlriechenden Pflanzen, die hier einen Unterschlupf gefunden haben. Allerdings ist das Interior-Design ganz und gar Medas Sache, und ich finde es faszinierend, bei jedem Besuch immer wieder eine kleine, manchmal auch eine größere Veränderung zu entdecken: in der Raumnutzung, bei der Möblierung oder der Farbigkeit. Ich kann es immer wieder nur bewundern, wie jedes Objekt den richtigen Platz gefunden hat, wie auf einer Bühne, die wir als Kinder in den Häusern der Großeltern vorfanden und wo alles seinen selbstverständlichen Platz hatte, Hammer und Nagel, Kaffee und Tasse. Und allesamt sind sie an Ort und Stelle, manchmal im Mehrzweckeinsatz – so wird der Tisch als Unterlage für den Laptop genutzt, als Schmink- und Nähtisch und manchmal privilegiert als Kaffeetafel und um darauf Zigaretten zu rollen. Die Dinge und Gewohnheiten gruppieren sich um diese Protagonisten des Raums, den Ofen, das Bett und den Tisch.
Diese einfache hölzerne Box ist also in der Lage, allen Wohnbedürfnissen und dem lebendigen Wandel einen Rahmen zu geben. Betrachtet man es aber aus einer anderen Perspektive, aus der eines Hauses mit Garten, dann könnte man ihm vielleicht schon einen Mangel nachsagen. So wie die Dinge des täglichen Lebens ihren Platz im Innern gefunden haben, so verlangt nämlich auch die „Infrastruktur“ für die Gartenarbeit und die Miniaturlandwirtschaft ihren Raum, im Hof, manchmal als Anbau zum „Haupthaus“, manchmal freistehend davon in kleinen improvisierten Schuppen für Tiere, Werkzeuge, Wassertanks und Fahrräder. Einige dieser Änderungen werden überdauern, einiges wird wieder verschwinden, anderes dafür auftauchen, aber alles scheint sich langsam auf den Aufbau eines gewöhnlichen Haushalts hin zu bewegen.
Last but not least muss erwähnt werden, dass das Haus faktisch nur im Erdgeschoss bewohnt wird, von Meda und ihrem Freund, und zwar nicht aus ökonomischen Erwägungen. Das Obergeschoss, was laut Plan Schlafzimmer werden sollte, wird schon genutzt, aber um Wildkräuter zu trocknen und gelegentlich Gäste
zu beherbergen. Meda und ihr Freund sagen, ihnen genüge das Erdgeschoss. Ich bin geneigt, ihnen zu glauben. 
Von 2005 an haben wir (SKBD) eine ganze Reihe Einfamilienhäuser für jüngere Paare gebaut. Sie fangen an bei einer Größe von 200 Quadratmetern, manche sind 500 andere gar ganze 900 Quadratmeter groß. Dabei haben die Bauherren eines gemein: Nahezu alle haben ihre Kindheit in sozialistischen Wohnsiedlungen in Wohnungen von maximal 80 Quadratmeter Größe verbracht, die von einer mindestens vierköpfigen Familie bewohnt wurden. 
Übersetzung aus dem Englischen: Michael Goj



Fakten
Architekten SKBD/Tiberiu Bucsa, Cluj-Napoca
Adresse Feleacu


aus Bauwelt 6.2016
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