Bauwelt

Burntwood School in London


Die Erneuerung der Burntwood School im Londoner Süden von AHMM


Text: Schabel, Anna, London


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    Um den Schulbetrieb während der Bauzeit aufrechtzuerhalten, wurden die Neubauten exakt in die Lücken zwischen den vorhandenen Gebäuden platziert
    Foto: Timothy Soar

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    Um den Schulbetrieb während der Bauzeit aufrechtzuerhalten, wurden die Neubauten exakt in die Lücken zwischen den vorhandenen Gebäuden platziert

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    Die gelb geflieste Wand des Eingangsgebäudes stimmt auf das farbenfrohe Kunst-am-Bau-Konzept ein
    Foto: Timothy Soar

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    Die gelb geflieste Wand des Eingangsgebäudes stimmt auf das farbenfrohe Kunst-am-Bau-Konzept ein

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    Als Rückgrat des Campus fungiert ein überdachter Gang aus Bushaltestellendächern
    Foto: Timothy Soar

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    Als Rückgrat des Campus fungiert ein überdachter Gang aus Bushaltestellendächern

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    Das neue Gebäude für Mensa und Darstellende Künste ...
    Foto: Timothy Soar

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    Das neue Gebäude für Mensa und Darstellende Künste ...

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    ... sticht mit seiner dunklen Metallfassade aus dem Ensemble hervor.
    Foto: Timothy Soar

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    ... sticht mit seiner dunklen Metallfassade aus dem Ensemble hervor.

    Foto: Timothy Soar

Der fahle graue Himmel über kahlen Bäumen, die Schülerinnen in ihren schwarzen Uniformen – eine Gruppe von ihnen flattert wie Krähen über den Hof. Die Burntwood School im Süden von London wurde in den fünfziger Jahren als Campus geplant und in den letzten Jahre von Allford Hall Monaghan Morris (AHMM) umgebaut. Dafür haben die Architekten Mitte Oktober den renommierten Stirling Prize bekommen.
 Auf den beiden Längsseiten geht der Schulcampus in Parks über, im Norden und Süden schließt er an die Siedlungsstruktur des Stadtteils Wandsworth an. Zwischen der Schule und der nächsten Zugstation Earlsfield im Norden reiht sich zweigeschossige dichte Wohnbebauung aneinander, Pendlerhäuser aus dem frühen 19. Jahrhundert. Noch liegt Vorstadtatmosphäre über Wandsworth. Sie wird nicht nur vom Schulneubau verändert. Die frühere psychiatrische Anstalt Springfield Hospital und der sich anschließende Golfplatz nebenan werden trotz Protesten der Anwohner entwickelt. Dort sollen unter anderem 389 Wohnungen gebaut werden. In Wandsworth lag auch die älteste Brauerei Englands, die Young’s Ram Brewery, für die noch bis 2006 Brauereipferde Bier ausfuhren. Sie ist an chinesische Investoren verkauft worden. Dort hat man 166 Wohnungen geplant. Im Norden des Stadtteils fließt die Themse, vorbei an zahlreichen Wohntürmen mit zehn und mehr Geschossen. Aus dieser Gegend kommt auch Sadiq Khan, der Bürgermeisterkandidat für Labour, ein Busfahrersohn und Jurist, der sich für Bildung stark macht. Er hat den ersten Bauabschnitt der Schule offiziell eröffnet.
Von der Burntwood Lane im Norden betritt der Besucher den Campus, auf dem heute rund 2000 Schülerinnen unterrichtet werden, unter einer verglasten Brücke hindurch; vorbei an der sonnengelben Wand des Eingangsgebäudes, in dem in den oberen Geschossen das Business Skills Centre der Schule untergebracht ist, kann der Blick dann über den ganzen Campus schweifen. Ein überdachter Gang zieht sich als Achse durch die Länge der Anlage. Das Gelände fällt quer dazu um insgesamt vier Meter ab. Drei viergeschossige Klassenzimmerblocks folgen der Achse links, mit den Sportgebäuden am Ende der Anlage, dahinter liegt das Sportfeld. Rechts befindet sich die alte Aula, daneben die neue Mensa. In Facetten gegossener Beton dominiert den ersten Eindruck. Erst bei genauerem Blick wird die bunte Farbkodierung der Gebäude sichtbar, die Leben in einen grauen Tag bringt.

Was Architekten der Gesellschaft geben können

Das Architekturbüro AHMM wurde 1989 von vier Architekten frisch von der Universität weg gegründet, gerade als der Aufschwung unter Thatcher vorbei war und nicht mehr viel gebaut wurde. Diese erste schwierige Zeit hat das Büro zusammengeschweißt und die Basis für sein Funk-tionieren geschaffen. Heute ist es eines der erfolgreichsten Büros seiner Generation mit 300 Angestellten, Projekten in Holland und den USA sowie dem Auftrag für das Hauptquartier von Google in London. Es wurde schon drei Mal für den Stirling Preis nominiert – und hat ihn endlich für die Burntwood School bekommen. „Burntwood School is the most accomplished of the six shortlisted buildings because it demonstrates the full range of the skills that architects can offer to society“, resümierte die Jury des Preises ihr Votum, und meinte sowohl den Entwurf der neuen als auch die Einbeziehung bestehender Gebäude, die Integration von Kunst ebenso wie von Landschaftsarchitektur, aber auch die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Architekten, Fachplanern und Lehrerkollegium.
Der Bauträger und PP-Partner der Schule war Lend Lease. Mit dieser Firma hatte AHMM schon eine längere Beziehung aufgebaut und mehrere Schulen und Wohnbauten realisiert. Durch die enge Zusammenarbeit konnten die Architekten mehr Qualität im Bau erreichen, sagt Paul Monaghan, einer der vier Partner. Er hebt hervor, dass das Originalkonzept ohne größere Änderungen umgesetzt wurde. Das Projekt war eines der letzten, das im Rahmen des Programms „Building Schools for the Future“ (BSF), ein Investitionsprogramm für weiterführende Schulen der Britischen Regierung zwischen 2000 und 2010, gebaut wurde. Unter Premierminister Blair war Bildung eines der wichtigsten politischen Themen, gleichzeitig schritt die Privatisierung und die Verbreitung von PPP-Projekten voran. Unter den nachfolgenden Tories wurde das Programm 2010 aufgelöst. Ersetzt wurde es nicht, es gibt seither nur mehr PPP-Initiativen und weniger Geld.

Pragmatischer Bestandsschutz

Die Schule wurde ursprünglich in den fünfziger Jahren vom LCC (London County Council, dem Vorläufer der heutigen Greater London Authority GLA) gebaut, in einer Zeit des Aufbruchs und des Wohlfahrtsstaats. Sir Leslie Martin (1908–2000) war dort seit 1953 Leitender Architekt und schuf eine Abteilung mit herausragender moderner Architektur, in der auch Colin St. John Wilson, James Stirling und Alison und Peter Smithson arbeiteten. Er selbst ist vor allem für den Bau der Royal Festival Hall am Südufer der Themse, erbaut 1951, bekannt.
Auf dem Campus in Wandsworth hat Martin die zwei wichtigsten und deshalb bewahrten Bauten geplant: die Aula und das Schwimmbad samt Fitnessstudio. Das Aula-Gebäude wurde vorsichtig renoviert. Es hat seine eleganten Metallträger und die einfach verglaste Fassade behalten, die im Gegensatz zur warmen inneren Holzverkleidung steht. Am hinteren Ende der Anlage liegt das Schwimmbad. Um die Wärmedämmung zu verbessern, war es vollständig verkleidet worden, von der 50er-Jahre-Glasfassade ist nichts mehr vorhanden. Die Direktorin will das Gebäude in den Originalzustand zurückversetzen, sobald die nötigen Gelder da sind. Die restlichen Gebäude entsprachen nicht mehr den heutigen Vorschriften, sie hatten niedrige Deckenhöhen, Akustik und Wärmedämmung waren ungenügend. Deswegen wurden sie zum Abriss freigegeben. Um Ausgaben für temporäre Unterkünfte zu sparen und alle Gelder für den Bau einzusetzen, wurde eine komplizierte Strategie für die Bauphasen entwickelt. Die neuen Gebäude wurden in die Lücken zwischen den alten gesetzt. Dadurch verlängerte sich die Bauzeit, aber die Schule konnte durchgehend in Betrieb gehalten werden. Die Vorfertigung der Fassaden verkürzte wiederum die Bauzeit vor Ort.
Die neuen, ost-west-orientierten Lehrgebäude sind einfache Betonskelette, denen als Fas-sade vorgefertigte Betonelemente von 3 und 4,5 Meter Breite, entsprechend dem Achsmaß der Unterrichtsräume, vorgesetzt worden sind. Das Raster gibt optischen Halt, nur die Fensterformen werden variiert. Gerade an den Seitenansichten entstehen sehr lebendige Muster. Diese tiefen Betonlaibungen sind in  mehrschichtigen Lage von sandgestrahltem Beton mit glitzernder Quarzzugabe, Dämmung und Folie aufgebaut, selbst die Fenster waren schon eingebaut. Auf der Baustelle musste extrem präzise gearbeitet werden, um die schweren Teile genau einzupassen.
Als neues, schwarz glänzendes, leichtes Gebäude hebt sich die Mensa von den Betonbauten ab. Innen stehen Reihen aus Holzbänken wie in einem Refektorium. Im ersten Stock sind die Theater- und Musikräume. Kinder in roten Jogginganzügen üben sich zum Aufwärmen in Ausdruckstanz. Neben den Studios gibt es auch eine Terrasse und eine neue Brücke zur Aula.

Farbcodes statt Schilderwald

AHMM bevorzugen starke Farben. Die Innenräume sind zwar sehr neutral gehalten, mit Sichtbetondecken, weißen Wänden und schwarzen Flächen, unterbrochen aber werden sie von spielerisch altmodischen Dreiecksmustern in leuchtendem Blau, Rot, Grün. Diese bunten Fliesen und Wandmalereien sind vom Studio Myerscough entworfen. Die Inspiration dafür kommt aus Vorlagen der fünfziger Jahre, aus den neuen, facettierten Fassaden und aus den Teppichen und Zeichnungen der Bauhausfrauen. Die Treppenfarben halten sich an die Kennfarben der Gebäude – gemischte Farben gibt es nur im Mensa- und Theaterblock, weil hier alle Schüler zusammenkommen.
Die Landschaftsgestaltung ist zurückhaltend und unterstützt die Einbindung der massigen Gebäude in die Landschaft. Sie ist von Kinnear Landscape Architects geplant. Der Baumbestand blieb erhalten, soweit es die Pläne zuließen. Neue Bäume wurden so gepflanzt, dass sie zur Orientierung auf dem Campus beitragen. Die Anlage ist in drei Zonen unterteilt: formal streng im mittle-ren Steifen, mit freierer Bepflanzung in den äußeren Zonen. Im Zentrum liegt ein erhöhter Rasen mit dem Fahnenmast in der Mitte. Die Fahne wird täglich gewechselt, um verschiedene internationale Ereignisse und Initiativen innerhalb der Schule zu feiern. Am Tag meines Besuchs weht eine Eigenerfindung mit bunten Symbolen auf weißem Grund über dem Grasviereck. Bepflanzung, Stufen, Pflaster, Wege und Straßen – alle Elemente sind robust und klar lesbar. Das Dach, das die mittlere Achse bildet, wurde preisgünstig aus Fertigteilen für Busunterstände zusammengeschweißt.
Obwohl bei englischen Schulen Sicherheit und Überwachung eine sehr große Rolle spielen, gibt es in dieser Schule keine Zäune. Natürlich ist der gesamte Campus umzäunt, und am Eingang steht ein freundlicher Türsteher, der den Weg weist und den Zugang überwacht, aber es gibt nicht die üblichen endlosen Absperrungen, die die Kinder vor einander und vor Eindringlingen schützen sollen. Hier hat die Schulverwaltung ihre eigenen Vorstellungen durchgesetzt. Auch das Übermaß an Beschilderung fehlt. Keine ausgedruckten Zettel an den Türen, keine Wegweiser oder Klassennamen. Statt dessen werden Nummern und Farben eingesetzt. Die Architektur erklärt sich selbst.
Die Schule wäre ohne ihre engagierte Direkto-rin Helen Dorfman sicher nicht so gebaut worden, wie sie heute hier steht. In einer zuvor unterdurchschnittlichen Schule in einem sozial benachteiligten Stadtteil hat Helen Dorfman einen grundlegenden Wandel erreicht. Ihre Schülerinnen haben jetzt beste Noten und besuchen mittlerweile Topuniversitäten. Es herrscht freundliche Disziplin. Alle Lehrer werden mit Sir, alle Lehrerinnen mit Miss angesprochen. Die schwarzen Schuluniformen wurden neu entworfen, wie auch das Logo. Es zeigt einen Baum mit leuchtend bunten, dreieckigen Blättern, der das Farbkonzept und den Aufbruchsgeist der Schule widerspiegelt.



Fakten
Architekten Allford Hall Monaghan Morris, London
Adresse Burntwood Ln,London SW17 0AQ,Vereinigtes Königreich


aus Bauwelt 3.2016
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