Bauwelt

Sebastian Stumpf: Bäume

Position Nr. 08

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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Videostill aus „Bäume“, 2008, Videoprojektion mit Ton, 31‘ 24‘‘, Loop
© Sebastian Stumpf

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Videostill aus „Bäume“, 2008, Videoprojektion mit Ton, 31‘ 24‘‘, Loop

© Sebastian Stumpf


Sebastian Stumpf: Bäume

Position Nr. 08

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Affektive Stadtvermessungen zwischen Kauzigkeit und Subversion
Der „theoretischen Dürftigkeit“ eines gesellschaftlich rückständigen Funktionalismus in der Architektur und im Städtebau der Nachkriegszeit setzte die „Situationistische Internationale“ das „Kreative Plündern“ entgegen, das Aus-dem-Kontext-Reißen vorhandenen kulturellen Materials. Das Avantgarde-Bündnis rund um Guy Ernest Debord, das zwischen 1957 und 1972 aktiv war, forderte die kritische Neukonzeption der Stadt als politisches Gesamtkunstwerk. „Alle Elemente, egal woher genommen, können Gegenstand neuer Zusammenhänge werden“, so Debord in der „Gebrauchsanweisung für die Zweckentfremdung“ 1956. Ein In­strument der Erfassung städtischer Situationen bestand im stetigen Umherschweifen, in der eingehenden Untersuchung der Beziehungen zwischen Raum, Zeit und den „Leidenschaften“. Mit letzteren wurde die emotionale Qualität eines geographischen Milieus angesprochen.
Diesen künstlerischen und theoretischen Kosmos der Situationisten kennt ein junger Aktionist und Fotograf wie Sebastian Stumpf selbstverständlich. Stumpf wurde 1980 in Würzburg geboren und hat an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig studiert, wo er heute lebt. Seine Ortsstudien und affektiven Stadtvermessungen sind international angelegt: Lyon, Tokio, London. Und immer setzt Sebastian Stumpf seinen eigenen Körper in Beziehung zu den angetroffenen Situationen, auf deren mitunter absurde Anmutung er damit hinweist. Mit beachtlicher Sportlichkeit erklimmt er hilflos gepflanzte, kleine Straßenbäume, stellt er sich kerzengerade auf winzige Gitter und Tore in den schmalen Bauwich zwischen zwei japanischen Stadthäusern, springt er (fast) über die Brüstungen der Fußgängerebenen des brutalistischen Barbican Centre in London. Die Körpereinsätze werden dokumentiert – in Kleinbilddias, Mittelformatfotos (mittels selbstbetätigtem Kabelauslöser) und in Videos.
Für einen Videoloop an elf Braunschweiger Brücken machte Sebastian Stumpf 2010 dann Ernst. Er flankte über die Geländer in die trübe Oker – eine höhere Qualität der Leidenschaft.
Fakten
Architekten Stumpf, Sebastian, Leipzig
aus Bauwelt 26.2011
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