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Neubauwelt

Text: Bulut, Denis, Karlsruhe

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Neubauwelt

Text: Bulut, Denis, Karlsruhe

Die Hausfront verrät uns nicht, woraus sie besteht, sie ist das Camouflagemuster für ein geordnetes Stadtbild. Im Treppenhaus liegt Granit, schwarz, weiß, grau und beige gekörnt.
Granit, Styropor, Schaum, Kunststoff, Aluminium, Stahl, Edelstahl, Glas, Beton, Gipskarton, Steinwolle. Das sind die Materialien, aus denen heute ein x-beliebiger Neubau besteht. Man greift auf sie zurück, weil sie wirtschaftlich zu produzieren sind sowie schnell und mit hoher Präzision verarbeitet werden können.

Das Material kommt meist direkt aus dem Werk, auf der Baustelle müssen die Teile nur noch richtig zusammengesetzt werden. Aber genügt der Stand der Technik, um einem Gebäude Leben einzuhauchen?

Die Spielräume zwischen Architektur und Kosteneffizienz werden für Architekten und Bauherren immer kleiner. Energiesparen ist das Leitmotiv unserer Zeit. Daher klingen massiv wirkende Häuser hohl, wenn man gegen ihre Wände klopft. Um die Normen des energieeffizienten Bauens zu erfüllen, ist zwischen Betonwand und Außenhaut eine bis zu 40 Zentimeter dicke Dämmschicht angewachsen, meistens aus Hartschaum oder Mineralwolle. Zur Herstellung von Steinwolle wird eine Steinschmelze durch ein kreisrundes Sieb zu Fasern geschleudert. Das Faservlies wird anschließend in einem Ofen gehärtet. Was für ein Gegensatz: Aus hartem Stein wird weiche Wolle. Aber statt unsere Häuser zu umstricken, ihnen vielleicht einen flexiblen Wollpulli zu konstruieren, werden die Wände versiegelt. Das immerhin relativ raffiniert hergestellte Produkt Steinwolle wird versteckt.

Die Hausfront verrät uns nicht, woraus sie besteht, sie ist das Camouflagemuster für ein geordnetes Stadtbild. Jedes Hinzufügen von weiteren Elementen würde ihre glatte und flache Erscheinung stören. Hier ist kein Platz für Wachstum. Die Veränderung zeigt sich nur als Zerfall, der mit großem Aufwand bekämpft wird.

Auch der Werkstoff Beton, ob als Fertigteil oder vor Ort gegossen, ist in gewöhnlichen Neubauten unsichtbar. Ausnahme: Bauteile die nicht isoliert werden müssen, frei stehende Mauern oder Garagen. Als Garant für schnelles und präzises Bauen ist Beton heute viel zu gewöhnlich, als dass er noch als Gestaltungselement dienen könnte. Diese Funktion übernehmen artverwandte Verbundstoffe wie Faserzementplatten, mit denen starre Fronten aufgelockert werden. Hinter diesen Flächen liegt unser Wohnraum, unser Schutzort. Doch die Wohnung ist schon lange nicht mehr unser einziger Rückzugsraum. Wir führen weitere Schutzorte mit uns, sie sind unsere stetigen Begleiter. Das Auto bringt uns in die Tiefgarage, dort stellen wir uns in den Aufzug und fahren in unsere Wohnung, deren immer dicker werdenden Materialschichten uns von der Außenwelt abschirmen.

Der Kontakt zur Außenwelt ist lediglich über die mehrfach verglasten Fenster möglich. Geräusche dringen durch sie kaum noch ins Innere. Schallschutzfenster haben unterschiedliche Glasstärken, damit sich die Schwingung der äußersten Scheibe nicht auf die inneren überträgt. Die Scheiben sitzen in einem Rahmen aus Kunststoff. Strangpressprofile werden über eine Matrize in Meterware gepresst, anschließend auf Gehrung zugeschnitten, dann zu Rahmen zusammengesetzt. Es gibt keine effizientere Methode, um Funktionsprofile herzustellen. Eine Matrize kostet in Deutschland ungefähr 1500 Euro, der Rest wird in Tonnen Kunststoff abgerechnet. Eine Schutzlackierung benötigen diese Profile nicht mehr, die Kunststoffmixtur ist speziell auf diese Anwendung ausgelegt. Dasselbe Prinzip lässt sich auf Aluminium anwenden: Fensterbretter, Rollläden und Führungsschienen oder Blenden drücken sich Meter für Meter durch die großen Pressen hindurch.

Die planen Flächen schreien nach einem Bruch: Warum werden Fensterrahmen nicht wie kostbare Bilderrahmen behandelt? Mit der industriellen Fertigungstechnik wäre es ein Leichtes, die Formen der einst kostspieligen Handarbeit erschwinglich zu machen.
Im Treppenhaus liegt Granit, schwarz, weiß, grau und beige gekörnt. Die homogene Fläche lässt Spuren verschwinden. Wird der Granit rau belassen, fängt seine Oberfläche an zu leben. Die Witterung lässt Formen verschwimmen, und Moose besiedeln ihn, wie in seiner natürlichen Umgebung. Aber wie jede andere Schicht im Haus wird er zweidimensional behandelt, poliert wird seine Struktur zur bloßen Grafik.

Stahl eignet sich für alles, was robust sein muss: Geländer, Zäune, Türen, Gitter und Türgriffe. Für den Außenbereich wird er verzinkt. Galvanische Verfahren oder Feuerverzinkung machen ihn resistent gegen Umwelteinflüsse und Korrosion. Die Oberfläche bekommt dabei einen kristallinen, bläulichen Camouflage-Look. Vierkantrohre werden mit Stäben, Stanzblechen oder Platten verschraubt und verschweißt. Edelstahl kommt dort zum Einsatz, wo wir direkten Kontakt mit dem Material haben. Bei Türgriffen, Briefkastenblenden oder Treppenführungen biegt sich das Material an der Architektur entlang. Edelstahl ist dichter und härter, lässt sich aber schlechter schweißen, deswegen wird er für einfache Anwendungen bevorzugt. Bei der Herstellung eines großen V-förmigen Türgriffs zum Beispiel wird das Edelstahlrohr CNC-gesteuert in Form gebogen und anschließend abgelängt, dann werden in die Rohrenden Gewinde eingesetzt und der Griff kann mit der Tür verschraubt werden. Verbindungen und Material könnten aufgrund ihrer Haltbarkeit den Rest des Hauses um Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte überleben.


Denis Bulut studiert Produktdesign an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe.

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