Bauwelt

Mehr Platz für Luther

Um- und Ausbau eines alten Schulgebäudes in Eisleben

Text: Kowa, Günter, Berlin

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Empfehlung zur Umsetzung: atelier st
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Dressler Architekten setzen den Saal zum Garten unter ein Kufperdach.
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hänel furkert architekten stecken ein neues Element von der Straße zum Garten durchs Haus.
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Mehr Platz für Luther

Um- und Ausbau eines alten Schulgebäudes in Eisleben

Text: Kowa, Günter, Berlin

Die Lutherstätten in Eisleben bieten Lehrstücke vom Bauen im Bestand. Denn immer ist Unesco-Weltkulturerbe in dichtem urbanem Gewebe betroffen. So auch beim jüngsten Projekt für das Lutherarchiv, das in ein 150 Jahre altes Haus ziehen wird.
Eisleben ist voll von architektonisch bearbeiteten Lutherbezügen: die vielfach preisgekrönte Erweiterung seines Geburtshauses von Jörg Springer (Bauwelt 18.2007), der Umbau seiner Geburtskirche zum Taufzentrum durch AFF Architekten (Bauwelt 26.12), der Anbau an seinem Sterbehaus von M-Architekten aus Stuttgart, der in kürze eröffnet wird. Und jetzt brachte die Stiftung Luthergedenkstätten ein architektonisches Qualifizierungsverfahren für das geplante Luther­archiv zum Abschluss. Dass man von der geübten Wettbewerbspraxis abwich, erklärt die Stiftung mit der Bausumme von 1,4 Millionen Euro, die kein förmliches Auswahlverfahren erfordere. Stattdessen erging an vier qualifizierte Büros der Auftrag, gegen Aufwandsentschädigung Entwürfe zu erarbeiten, die Steuerung übernahm das Leipziger Büro für urbane Projekte. Ein Beratergremium sichtete im Juli die Entwürfe „in langer und kontroverser“ Diskussion, wie der Direktor des Luthermuseums Jürgen Philipsen berichtet. Veröffentlicht wurden sie Ende August.
3000 Bände früh-reformatorischen Ursprungs, darüber hinaus das Archiv und die Kunstbestände der Stiftung sollen nun in ein schlichtes Haus in der Nachbarschaft zu Luthers Geburtshaus einziehen. Es war ein Geschenk an die Stiftung. Auf dem Grundstück richtete sie 2010 zur IBA Stadtumbau den „Schöpfungsgarten“ nach einem Entwurf der Münchner Landschaftsarchitekten Lohrer & Hochrein ein (Bauwelt 17–18.2010). Für das extrem baufällige Haus war ein Neubau im Gespräch, seinem Abriss kam der Eintrag in die Denkmalliste zuvor. Es liegt in Eislebens mittelalterlichem Straßennetz als Bindeglied zwischen Lutherhaus und Taufkirche St. Petri. 1861 in Form eines bürgerlichen Wohnhauses gebaut, war es ursprünglich Lehrstätte für Anwärter auf das einstige evangelische Schullehrerseminar. Vom Schulambiente blieb nichts übrig, als ein Tischlermeister 1911 Werkstatt, Schauraum und Wohnungen einbauen ließ. Die vier Fensterachsen der Fassade unterbrach er im Erdgeschoss mit Schaufenstern. Die ursprüngliche Gliederung wieder herzustellen, war neben dem Erhalt der Dachform und der Mauern von Straßen- und Giebelseiten die einzige Auflage für die Architekten. Im Inneren und zur Gartenseite erhielten sie freie Hand und damit auch für den 60 Quadratmeter großen Mehrzwecksaal, den die Stiftung für kleinere öffentliche Veranstaltungen wünscht.
Aus Sicht des 8-köpfigen Beratergremiums überdehnten Junk&Reich aus Weimar den Interpretationsspielraum dieser Auflagen; sie schlugen einen kompletten Neubau aus rötlich eingefärbtem Beton in alter Kubatur und mit echohafter Fenstergliederung vor, mit tatsächlichen Öffnungen nur zur Gartenseite. Weil sich dieser „radikale Entwurfsansatz“ letztlich getreu ans Vorbild hielt, vergab er sich die Möglichkeit zu einem wirklich originellen Umgang damit, weshalb ihm das Gremium auch eine „Weiterentwicklung“ des Ensembles in Abrede stellte. Junk&Reich richteten allerdings, wie die Mehrzahl der Kollegen, den Saal zur Gartenseite aus, in ihrem Fall als Kubus.
Dressler Architekten aus Halle setzen ihn unter ein kupfergedecktes Dach und öffnen ihn mit geschosshohen Glasfenstern, das Treppenhaus verlegen sie „recht großzügig“ in einen Rücksprung. Das Gremium störte sich aber an „additiven Entwurfselementen“ und der Glasfront, die die Anmutung eines „großzügigen Wohnhauses“ aufkommen lasse.
Hänel furkert architekten aus Dresden wiederum behandeln den Mehrzwecksaal als Flachbau, den sie quasi bis zur Straßenfront durchstecken und dort, abweichend von den Vorgaben, mit separatem Eingang in goldglänzender Umrahmung sichtbar machen. Kritik am „Implantat“ machte sich trotz dessen gelobter Zeichenhaftigkeit an der ungünstigen Besucherführung fest, die über Eck und teils durch Arbeitsräume läuft.
Die Entscheidung, auf die auch die Auftragsvergabe folgt, fiel für den Entwurf von Atelier st aus Leipzig. Sie stellen die vierachsige Fenstergliederung ohne Abstriche wieder her und schaffen für Bibliothek, Archiv und Depot in Ober- und Dachgeschoss Räume, die „Nutzungsoptionen offen lassen“, wie das Gremium hervorhebt. Das augenfälligste Merkmal des Entwurfs ist zweifellos das tief zur Gartenseite heruntergezogene Dach, ein Echo auf die umgebende Dachlandschaft von Kirche und Museum. Funktional überwölbt es den eckig vorspringenden Grundriss der Erweiterung. Diese dient aber in erster Linie dem Treppenhaus und nimmt vom Saal nur die Schmalseite auf, weil dieser sich, anders als bei allen anderen Entwürfen, in den Quasi-Altbau erstreckt. Licht fällt durch die Fenster zur Straße und an der Giebelseite sowie durch eine Öffnung vom Garten ein.
Das Gremium lobt den Saal als „stimmungsvoll“, jedoch bleibt der Verzicht auf Zugang und nennenswerten Ausblick zum Garten ebenso fragwürdig wie die Außenansicht des Anbaus mit seiner kleinteiligen Fenster- und Portalgliederung, die man auch eher einem Wohnhaus zuordnen möchte, allerdings keinem großzügigen.


Empfehlung zur Umsetzung: atelier st, Leipzig

Weitere Teilnehmer
: Dressler Architekten, Halle (Saale); hänel furkert architekten, Dresden; Junk & Reich, Weimar

Fakten
Architekten Dressler Architekten, Halle; hänel furkert architekten, Dresden; Junk & Reich, Weimar
aus Bauwelt 39.2012
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