Bauwelt

Christian Borchert

Fotografien von 1960 bis 1996

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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Wiederaufbau der Semperoper in Dresden
Christian Borchert; SLUB / Deutsche Fotothek Dresden

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Wiederaufbau der Semperoper in Dresden

Christian Borchert; SLUB / Deutsche Fotothek Dresden


Christian Borchert

Fotografien von 1960 bis 1996

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Christian Borchert (1942–2000) war einer der großen Dokumentarfotografen der DDR. In Dresden geboren und aufgewachsen, pendelt er später immer wieder zwischen Berlin-Pankow und seiner Heimatstadt, um auch die leisen Veränderungen der Elbmetropole (die man wahrscheinlich erst dann sieht, wenn man eine Weile weg war) aufzuzeichnen.
Borcherts Bilder sind das Ergebnis eines einfühlsames Erfassens von Situationen und Augenblicken. Immer wieder zeigt er die „kleinen Dramen des Alltags“: Vor einer S-Bahn-Mauer hastet eine junge Familie durch strömenden Regen, in einer Konsum-Kaufhalle prüft eine ältere Frau die Unversehrtheit der in klobigen Kunststoff-Wannen liegenden Milch-Schläuche. DDR-Lebenswirklichkeit, sozialistische Warenpräsenta­tion oder auch der Zustand der Gebäude – das alles gibt es nicht mehr. Die unprätentiöse Darstellung  auf den Fotos bietet jedoch die Möglichkeit zu einer virtuellen Reise in die damalige Zeit.

1954 bekommt der zwölfjährige Borchert eine „Perfekta“, Format 6x6, geschenkt. Er beginnt die Gebäude, Brücken und Plätze der zerstörten Innenstadt zu fotografieren und die Abzüge thematisch sortiert in einem Fotoalbum zu sammeln. Bereits diese frühen Amateur-Aufnahmen hat Borchert – trotz ihrer technischen Unzulänglichkeiten – immer als Beginn seiner Arbeit als Foto-Chronist der Elbestadt angesehen: ein Werk, das nicht nur die zufällig vorgefundene Realität abbildet, sondern auch die Widersprüche des Alltags erkennbar werden lässt und die Wirklichkeit ordnen will. Ihm ging es darum, „daß andere – jetzt oder später oder an fremden Orten – sich eine Vorstellung machen können von Situationen und Verhältnissen. Es ist Fotografie gegen das Verschwinden.“
 
In Babelsberg zum Kopierwerkstechniker aus­gebildet, beginnt er seine Laufbahn ab 1970 als Bildreporter bei der „Neuen Berliner Illustrierten“ (NBI), dem damals auflagenstärksten Magazin des Landes. Die staatlich geforderten Genre-Bilder entsprechen jedoch nicht seinen künstlerischen Ambitionen. Da­her arbeitet er ab 1975 freischaffend, zunächst als Porträtfotograf.
 
Über einen Schulfreund, der Architektur studiert hat, wird er auf den Wiederaufbau der Semper­oper aufmerksam. Von 1977 bis 1985 dokumentiert Borchert, zunächst aus eigenem Interesse, später dann im Auftrag des Verlags der Kunst, in der Regel alle vier Wochen den Baufortschritt. Seine mehr als 10.000 Aufnahmen zeigen die Ruine, die Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten, aber eben auch die entscheidenden, den Abriss von historischer Substanz bedingenden Veränderungen im Saal- und Bühnenbereich, mit denen das Planungskollektiv un­ter Leitung von Wolfgang Hänsch aus dem Semper’­schen Theaterbau ein heutigen Ansprüchen genügendes Opernhaus machte. Präzise veranschaulichen sie die einzelnen Arbeitsschritte der verschiedenen Gewerke ebenso wie die Mechanik der neuen Bühnentechnik. Der daraus entstandene opulente, etwa 200 Aufnahmen umfassende Band „Bilder einer Baulandschaft“ gilt Dresdner Architekturinteressierten mittlerweile als Klassiker.
 
Auch die Veränderungen seiner Heimatstadt nach der Wende dokumentiert Borchert subtil und präzise. Die Fotos zeigen spärlich beleuchtete, nächtliche Szenerien mit ausgeschlachteten Trabbis oder in sich versunkenen Menschen auf einem Bahnsteig, aber auch Baukräne, Gerüste, Zäune.

Im Sommer 2000 ertrank Borchert beim Baden in einem See in der Nähe von Berlin. Die Sächsische Landes-, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden erwarb seinen Nachlass und ist dabei, ihn zu digitalisieren. Eine kleine Ausstellung in der Galerie am Lesesaal gibt Einblick in sein Werk.

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