Reportage

Making-of: Kroko-Klinker

Nur mit dem Wissen über erzielbare Texturen kann der Klinker integraler Bestand- teil des Entwurfskonzepts werden.

Um die Struktur des Krokoleders auf die Steinoberfläche aufzubringen, wurden sogenannte Benarbungsrollen verwendet.

Gespräch mit Eckart Linow, Leiter der Unternehmenskommunikation Röben
  • Text: Michael Kasiske
  • Fotos: Frank Peterschröder, Jens Kallfelz

In den vergangenen Monaten hat Röben BRICK DESIGN® in den Fokus der öffentlichen Kommunikation gerückt. Die größte Aufmerksamkeit zog ein Stein auf sich, dessen glänzende Schauseite schwarzem Krokoleder glich. Die Haut der urtümlichen Panzerechsen als Textur einer Wand? Das macht neugierig auf den Anlass für dieses „Extrembeispiel“ und die Vorbereitungen zur Produktion.

„Man kann die Natur und das Feuer nicht überlisten,“ resümiert Eckart Linow am Ende unseres Gesprächs. Als Leiter der Unternehmenskommunikation bei Röben weiß er, dass es im Grunde die gänzlich der Erde entnommenen Rohstoffe und die Art des Brennens sind, die Aussehen und Qualität des Klinkers bestimmen. Die Rezepturen, um Farben von unvermindertem Weiß über traditionelles Backsteinrot bis hin zu tiefem Schwarz zu erzeugen, und bei welchen Temperaturen wie lange gebrannt wird, sind Ergebnisse zahlloser Versuche.

Der Anlass für den ungewöhnlichen Stein mit der Krokolederoberfläche war freilich der Wille von Röben, das Bewusstsein seiner Kunden – Architekten wie Bauherren – für die Möglichkeiten von Steinoberflächen zu sensibilisieren. Denn nur mit dem Wissen über erzielbare Texturen kann der Klinker integraler Bestandteil des Entwurfskonzepts werden. „Was immer Sie sich als materielles Erscheinungsbild eines Gebäudes vorstellen, wir machen Ihnen den Stein dazu,“ offeriert Linow. Damit bringt er den programmatischen Ansatz „BRICK DESIGN® – Ihre Idee macht den Stein“ auf den Punkt.

Blick in die Tongrube: Eine ausgewogene Komposition verschiedener Tonsorten bildet die Basis für das spätere Endprodukt.

Blick in die Tongrube: Eine ausgewogene Komposition verschiedener Tonsorten bildet die Basis für das spätere Endprodukt.

Um sich ein Bild von der Bandbreite möglicher Texturen für den Stein zu machen, bat Linow einige Designer, Vorschläge zu entwickeln. Das Ergebnis: eine mannigfaltige Palette, von schimmernden Fischschuppen über reflektierende und bewegte raue See bis hin zu filigranen Ranken barocker Ornamente. Und eben Krokoleder, das Linow ein „Extrembeispiel“ nennt. Das edle, heute artgerecht erzeugte Material findet Anwendung bei Bekleidungsstücken wie Schuhe und Handtaschen und löst damit Assoziationen an Komfort, Eleganz und haptische Reize aus. Die Transformation dieses Leders in den völlig anderen Kontexts einer steinernen Wand entbehrt nicht der Surrealität.

Den ungewöhnlichen Vorschlag „Krokoleder“ setzt Linow absichtsvoll provozierend in Szene, denn sein Interesse an Beschaffenheit und Aussehen der Textur „geht weit über eine Oberflächenpolitur hinaus.“ Eher möchte er eine „Edition“ herausgeben, wie man sie aus der Kunst kennt. So könnte etwa ein Architekt genaue Vorgaben für Farbe und Oberfläche eines Steines machen, Röben entwickelt das entsprechende Produkt und stellt eine limitierte Menge her. So würden die Klinker, eigentlich eine Massenware, nun die Einmaligkeit der Architektur verkörpern.

Detailansicht: Das charakteristische Kroko-Relief der fertigen „Läuferrolle“.

Detailansicht: Das charakteristische Kroko-Relief der fertigen „Läuferrolle“.

Das würdigen auch die Kunden, von denen Linow ein positives Feedback erhält. Gerade der Klinker mit der Krokoledertextur rief mehr Interesse hervor, als ein Außenstehender vermuten mag. Ob es an der Anmutung des Steins liegt, die dem realen Erscheinungsbild der Tierhaut sehr nahe kommt? Die bestechende Schwärze des Steins verstärkt den Impuls, dass man die Oberfläche gern anschaut und – wie üblicherweise Leder – berühren möchte.

Den materiellen Beweis dafür liefern die ersten Prototypen. Im Zuge dieser Entwicklung werden oft neue Entdeckungen gemacht, die den experimentellen Charakter dieses Prozesses unterstreichen. Das ausgereifte Produkt – auch darin dem edlen Krokoleder ähnlich – wird einen qualitativen Höhepunkt in der Entwicklung gebrannter Steine markieren. Zwar wünschen manche Kunden, so erfahre ich, explizit einen Klinker, der sich etwa durch Umwelteinflüsse strukturell verändert. Solche „Fehler“ können künstlich erzeugt werden, doch Röben hat den Fokus auf Oberflächen gesetzt, unterstreicht Linow, mit dem Ziel, „die Steine zu veredeln.“ Zum Prägen der Textur in den weichen Ton werden so genannte „Benarbungsrollen“ eingesetzt. Mit der Übertragung des originalen Krokoleders auf die Rolle kommt das Atelier Hartenfels aus Ransbach-Baumbach im Westerwald ins Spiel. Ihr Inhaber Markus Hartenfels, der im Fach Keramik an der Hochschule Höhr-Grenzhausen diplomierte, hat die drei Rollen für den Stein mit der Textur von Krokoleder

„Die Tradition erdet die Anwendung auch extravaganter Klinker."

geschaffen: Eine lange „Läuferrolle“ für die Längsseite des Steins und zwei kurze „Kopfrollen“ für die beiden Breitseiten, damit der Stein auch für Mauerecken eingesetzt werden kann.

Der Auftrag war außergewöhnlich für den Familienbetrieb Hartenfels, der auf Modell- und Formbau für die Keramikund Porzellanindustrie spezialisiert ist. Für die Benarbungsrollen, ebenfalls ein Modellwerkzeug, werden üblicherweise Holz- oder Gesteinsstrukturen verwendet. Die weiche Tierhaut als Vorlage für einen Klinker zu verwenden, war eine Premiere, die überzeugt, da das Krokoleder eine starke und charakteristische Narbung aufweist.

Feinarbeit: Markus Hartenfels überprüft die Genauigkeit der Kroko-Rolle anhand eines Gipsabdrucks.

Feinarbeit: Markus Hartenfels überprüft die Genauigkeit der Kroko-Rolle anhand eines Gipsabdrucks.

Die Übertragung des feinen Lederreliefs, erörtert Hartenfels, kann durch Digitalisieren der Oberfläche oder traditionell mit der Abnahme durch einen Guss erfolgen. Wenn er den Abdruck auf die Walze gebracht hat, modelliert er den Anschluss so, dass keine Naht sichtbar ist. Die drei Walzen mit der Krokolederstruktur haben einen Durchmesser von 100 Millimeter. Das heißt, je nach Höhe des Steines wiederholt sich die Textur, leicht verschoben, etwa alle drei bis vier Steine. „Diese Walzen oder Strukturbänder werden überall dort eingesetzt, wo extrudiert wird,“ klärt mich Hartenfels auf.

Extrusion, meist als Strangpressverfahren geläufig, klingt befremdend, wenn man den edlen schwarzen Stein vor Augen hat. Für seine einwandfreie Herstellung zeichnet im rheinland- pfälzischen Bannberscheid der Werksleiter Andreas Andernach verantwortlich. „Man muss auch gelegentlich Fehlbrände riskieren“ – diese saloppe Feststellung Linows wird der Elektroingenieur nicht gern hören. Wenn auch um der Anschauung willen die Herstellung des Klinkers oft mit dem Backen von Plätzchen verglichen wird, ist der durch Inhaltsstoffe, Prozessablauf und Temperatur bestimmte Steinbrand ungleich komplexer.

Gestapelte Klinker-Rohlinge auf ihrem Weg in den Ofen. Brenndauer und Temperatur haben einen entscheidenden Einfluss auf das spätere Erscheinungsbild des Steins.

Gestapelte Klinker-Rohlinge auf ihrem Weg in den Ofen. Brenndauer und Temperatur haben einen entscheidenden Einfluss auf das spätere Erscheinungsbild des Steins.

Die Steine mit außergewöhnlichen Texturen lassen sich durch Extrusion, die geläufigste Verfahrenstechnik, herstellen. Dabei wird der Ton mittels einer Schnecke verdichtet und mit hohem Druck durch eine zweidimensionale Form gepresst, die Länge und Breite des Steins bestimmt. Aus einem „Mundstück“ mit Einsatz, der die Löcher in die Ziegel bringt, kommt ein glatter Strang, der dann – je nach gewünschter Textur – besandet, abgeschält oder eben mit der Krokostruktur benarbt wird. Erst danach wird der Strang in einzelne Steine geschnitten.

Andreas Andernach, Leiter Werk Bannberscheid

Andreas Andernach, Leiter Werk Bannberscheid

Dann werden die Rohlinge getrocknet, gesetzt und schließlich gebrannt. Mir als Laien kommt es seltsam vor, dass beispielsweise weiße Steine die höchsten Temperaturen benötigen. Für das tiefe Schwarz sind hingegen vor allem die Zuschlagsstoffe Mangan und Eisenoxyd verantwortlich. Dass Mangan zu Tagespreisen gehandelt wird, macht den Stein teuer. Der schwarze Klinker mit der Krokooberfläche wird bei 1.120° C im so genannten Scharffeuerbrand hergestellt. Dieser Brand mit dem so genannten „Sintern“ ist notwendig, damit die vorher aufgebrachte Glasur schmilzt, in die Poren eindringt und sich unlösbar mit dem Stein verbindet.

Wo mögen die edlen schwarzen Steine Anwendung finden? In Deutschland werden Klinker dieser Farbe bislang vor allem im Objektbereich verarbeitet, wohingegen sie sich in den Beneluxstaaten auch als Außenmauerwerk großer Beliebtheit erfreuen. In den Nachbarländern, bei denen sich die Architektur stärker vom traditionellen Hausbau gelöst hat, wird schwarzer Klinker für Sockel und auch als vollflächige Verschalung verwendet.

„Die bestechende Schwärze des Steins verstärkt den Impuls, dass man die Oberfläche gern anschaut und – wie üblicherweise Leder – berühren möchte."

Die scheinbaren Gegensätze der beiden Materialien für „Schutzhüllen“, das anschmiegsame Leder und die harten Steine, lassen sich miteinander effektvoll vereinigen, wie der Klinker mit der Krokoledertextur beweist. Das Beispiel zeigt ebenso, dass sich besondere Wünsche für Steinoberflächen im industriellen Prozess überschaubar realisieren lassen. Damit spornt Linow die Kunden an, die Möglichkeiten des BRICK DESIGN® stärker auszuschöpfen. Die steinerne Haut kann dann eine eigene Botschaft übermitteln.

Forschungsarbeit: Im Röben-Labor wird mit Zuschlagstoffen wie Schamotten und Oxyden experimentiert, um neue Farben und Strukturen zu kreieren.

Forschungsarbeit: Im Röben-Labor wird mit Zuschlagstoffen wie Schamotten und Oxyden experimentiert, um neue Farben und Strukturen zu kreieren.

Trotz der technischen Prozesse und der industriellen Fertigung steht für Linow fest: „Das Potential des Klinkers liegt im Naturprodukt.“ Die Tradition erdet die Anwendung auch extravaganter Klinker. Wie auch immer die äußere Wirkung sein wird, ob schillernd mit Schuppentextur oder schwarz mit Krokolederanmutung, es ist die vertraute gemauerte Wand aus gebrannten Steinen.

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