Interview

Spreng + Partner Architekten | Bern

Das neue Hochschulzentrum in Bern entsteht in einem von industriellen Klinkerbauten geprägten Stadtteil der sonst vorwiegend aus lokalem Sandstein gebauten Stadt.

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Das Gesicht des Gebäudes

  • Interview: Dorothea Külbel
  • Fotos: Frank Peterschröder

In der Berner Länggasse entsteht ein neues Hochschulzentrum. Wo bis Ende der Neunziger Jahre noch die Schornsteine der von Roll’schen Eisenwerke qualmten, rauchen ab Herbst 2013 über 4000 Studentenköpfe. Neben der bereits zu einem Hörsaalgebäude umfunktionierten Weichenbauhalle entsteht das neue Institutsgebäude der Pädagogischen Hochschule Bern. Beide Gebäude sind aus Klinker gemauert – ein seltener Anblick in der Stadt. Klinkerbauten sind allgemein selten in der Schweiz vertreten. Der Berner Architekt Daniel Spreng plant die Ausführung des neuen Institutsgebäudes.

Seit über drei Jahrzehnten realisieren Sie mit Ihrem Büro Bauten inner- und außerhalb der Schweiz. Welche Vorbilder begleiten Sie auf Ihrem Weg?

Daniel Spreng: Da ist sicher erst einmal gute Architektur, was auch immer das heißt. Gute Architektur hat für mich gute Manieren. Das beginnt mit der Ethik, mit dem Fachwissen und natürlich mit der Ausführung – je nach Auftrag. Vorbilder gibt es viele für gute Architektur. Ein Stil, der am längsten hält, ist der Bauhaus-Stil. Er wird immer wieder aktuell und ist am besten für uns. Aber wir probieren auch neue Formen aus.

Die Planung des gesamten Hochschulzentrums auf dem von Roll-Areal stammt von Giuliani und Hönger aus Zürich. Inwieweit konnten Sie bei der Ausführungsplanung Ihre architektonische Sprache einbringen?

DS: Wir haben sehr starke Vorgaben gehabt und diese natürlich übernommen. Die Ausführung, also die gestalterische Leitung, so sagen wir, konnten wir schon beeinflussen, aber immer unter den Vorgaben des Entwurfes von Giuliani und Hönger. Wir haben das zusammen mit dem Auftraggeber, dem Berner Amt für Grundstücke und Gebäude, erarbeitet. Das beginnt mit dem Ausbau, der Möblierung, der Behandlung der Oberflächen wie Parkette und Böden. Für das Licht haben wir natürlich auch Spezialisten herangezogen.

Mit der Wahl des Materials Klinker wollen Spreng + Partner Architekten eine gewisse Langlebigkeit für das hoch frequentierte Gebäude garantieren.

Mit der Wahl des Materials Klinker wollen Spreng + Partner Architekten eine gewisse Langlebigkeit für das hoch frequentierte Gebäude garantieren.

Was ist das Besondere an dem Gebäude als Ganzes?

DS: Zum einen die Hülle des Gebäudes. Die Fassade stärkt den öffentlichen Raum. Dann gibt es den Ausdruck, der mit dem Ort verbunden ist. Die Länggasse war ehemals ein Industriegebiet. Dort wurden Gleise für die Eisenbahn gegossen. Also existierte bereits ein Bestand an Gebäuden, die mit Klinkern gemauert wurden. An diese Vorgaben mussten wir uns anpassen. Es war somit festgesetzt, dass wir Klinker als Material für die Fassade verwenden. Die Auswahl des speziellen Steines konnten wir gemeinsam mit der Denkmalpflege, dem Kanton und mit dem Generalunternehmen erarbeiten.

Was sagt die Fassade über das Gebäude aus?

DS: Grundsätzlich muss die Fassade funktionieren, die Gestaltung und die Funktion müssen zusammenspielen. Dann gibt es diesen Ausdruck, der eigentlich nichts mit der Wand zu tun hat, die Fassade ist ja nur die Hülle. Es geht um den öffentlichen Raum, den man als Besucher, als Student, als öffentliche Person wahrnimmt. Die Fassade ist das Gesicht des Gebäudes. Mit den großen Fenstern soll ablesbar sein, dass es sich um eine Schule handelt. Die Fassade ist immer öffentlich, es gibt keine private Fassade. Architektur ist die öffentlichste Kunst der Künste. Die Gebäude stehen 30 bis 70 Jahre und der Klinker unterstützt diese feste, endgültige Struktur. Sie können ihn nicht bemalen, nachträglich isolieren oder verputzen. Wir garantieren damit eine gewisse Langlebigkeit. Wenn es Verfärbungen gibt, ist es natürlich – bei einem Putzmauerwerk ist das anders. Von daher ist es interessant, weil die Architektur und die Gesellschaft sich in dieser Zeit verändern werden. Wir bauen für die nächsten Generationen. Das können wir auch im Wohnungsbau sehen. Die Flächen werden wieder kleiner: In der Schweiz haben wir das Problem, uns einschränken zu müssen. Das ist ein soziales, gesellschaftliches Problem.

„Die Gebäude stehen 30 bis 70 Jahre und der Klinker unterstützt diese feste, endgültige Struktur."
Daniel Spreng
Das Gebäude misst etwa 100 auf 80 Meter. Welche Kriterien waren ausschlaggebend, um diese große Fläche zu gestalten?

DS: Die Gestaltung der Fassade war bei dem Institutsgebäude schon vorgegeben: das Raster, die Fenster, das Material – das war von Anfang an festgelegt. Wir hatten den Stein und den Mörtel der Fugen auszuwählen. Wir haben große 1:1-Bemusterungen aufgestellt, in Form von Wänden, die drei auf drei Meter maßen. Dabei haben wir uns die bestehenden Gebäude der Nachbarschaft als Bezug genommen, um eine Auswahl von möglichen Farben und Steinformaten anpassen zu können. Diese verschiedenen Beispiele wurden 1:1 dem Bauherren vorgeschlagen, mit dem wir uns gemeinsam auf den gelblich weißen Stein einigen konnten.

Die vorfabrizierten Fassadenelemente wurden vor Ort verfugt, um einen möglichst ähnlichen Farbton wie den der Nachbargebäude zu treffen. Gibt es weitere Details, mit denen Sie das Gebäude an die Umgebung anpassen oder von ihr abgrenzen wollen?

DS: Es gibt durch den Alterungsprozess natürlich Verfärbungen beim Bestand, die man nicht wiederholen kann. Daran lehnen wir uns aber lediglich an und bringen trotzdem etwas Neues. Wir verwenden neue Steine und nehmen keine alten. Wir haben anfangs versucht, mit einem schwarzen Stein zu operieren. Da das Gebäude aber sehr groß ist, war der Auftraggeber vorsichtig, eine dunkle Farbe zu verwenden. Uns hätte daran fasziniert, dass Schwarz in der Natur stärker verschwindet als ein heller Stein.

Daniel Spreng

Daniel Spreng

Welche Rolle spielt die Haptik des Steines?

DS: Man kann den Stein nicht anfassen, da das Erdgeschoss aus Beton und Glas ist. Nur die oberen Geschosse sind aus Klinker. Man nimmt sie also visuell wahr. Es gibt eine raue Oberfläche, die durch Produktion und Lagerung bedingt ist: Die Klinker werden mit Sand abgesprüht und dann geschichtet. Das Raue verschwindet mit der Zeit und der Stein wird glatt. Die changierenden rötlichen Töne entstehen ebenfalls durch die Produktion und verlieren sich mit der Zeit in ein homogenes Rot.

Welche historischen Bezüge hat der Klinker in Bern?

DS: Die größte Tradition in Bern haben die Sandsteinbauten, weil wir in der Umgebung Sandstein haben. Alle Fassaden der Altstadt bestehen eigentlich aus Sandstein. Nur ein paar Industriebrachen haben diese Klinkersteine. Es gibt ein paar Mehrfamilienhäuser in Quartieren, in Obstberg beispielsweise, die auch aus Klinker gemauert sind, aber eigentlich gibt es kaum Backsteinarchitektur in der Stadt. In der Effingerstraße wird aktuell allerdings ein großes öffentliches Gebäude auch aus Klinker gemauert – eventuell spielt der geringere Kostenfaktor hier eine Rolle?

Die industriellen Bestandsgebäude der Nachbarschaft inspirierten die Architekten zur Wahl eines gelblich weißen Klinkers.

Die industriellen Bestandsgebäude der Nachbarschaft inspirierten die Architekten zur Wahl eines gelblich weißen Klinkers.

Die Veredelung mit Dekorsanden macht jeden Stein zu einem Unikat.

Die Veredelung mit Dekorsanden macht jeden Stein zu einem Unikat.

Das Institutsgebäude ist ihr erster Klinkerbau. Welche Erfahrungen haben Sie mit dem neuen Material gemacht, wo mussten Sie experimentieren?

DS: Die Erfahrung war für uns Schweizer neu, wieder in die Zeit von diesem Stein zurückzugehen. In Amerika sind ganze Städte, wie Chicago zum Beispiel, aus diesem Material gebaut. Es hat uns fasziniert, diese Materialien wieder zu verwenden. Ich kann mir gut vorstellen, ein Mehrfamilienhaus aus Klinker zu bauen, im Kontext des Ortes sowie dem Stadtgebiet, der Verdichtung. Diese Themen sind jetzt in der Schweiz aktuell. Diesen Klinkerstein zu vermauern ist eine Handwerkskunst. Ob das langsam ausstirbt? Es können nicht mehr alle Baumeister so mauern. Es ist eine spezielle Aufgabe und darin liegt gerade auch ein Nachteil. Wir mussten lange suchen, um Handwerker zu finden, die das noch können. Das Bild der Fassade ist uns wichtig und die Größe des Hauses wirkt allein durch diesen besonderen Stein. Es darf kein gesichtsloses Haus entstehen: Wir haben mit dem Klinker die Garantie, dass das Gebäude lebt, die Fassade ein Gesicht bekommt. Wenn Sie sich dieses Gebäude mit einem einfarbigen Putz vorstellen, dann könnte das schon eher ein gesichtsloses Gebäude werden!

Institutsgebäude der Pädagogischen Hochschule Bern auf dem Von Roll-Areal

Fertigstellung:Herbst 2013
Bauherr: Amt für Grundstücke und Gebäude des Kantons Bern (AGG)
Grundfläche: 7400 m²
Baukosten:130 Mio. Schweizer Franken
Entwurf:Giuliani Hönger AG, Zürich

Röben Keramik-Klinker

Basis:sorgfältig aufeinander abgestimmte, hell brennende Westerwälder Tonsorten mit exakt definierten Eisen- und Titangehalten.
Beimischung:Quarzsand in der Tonmasse; eingefärbte Dekorsande und -granulate zur Oberflächengestaltung.
Brennführung:Dichtbrand bei Temperaturen unterhalb 1200°C, um eine Wasseraufnahme von weniger als 3% zu erhalten.
Resultat:Cremeweißer Keramik-Klinker, der – perspektivisch betrachtet – farblich im engen Dialog mit seiner Umgebung steht, im Detail jedoch dank seiner feinen Oberflächenveredelung ein facettenreiches Farbenspiel verschiedenster Rottöne bietet, welches sich im natürlichen Alterungsprozess stetig wandelt.

Architekten

Spreng + Partner Architekten AG, Bern
www.spreng-architekten.ch

Projekte (Auswahl)

2013 Gewerbehaus cube 116, Biel
2011 Klinische Forschung, Inselspital Stiftung, Bern
2010 Mehrfamilienhaus Rosenweg, Köniz
2009 Loftwohnungen Wasserwerkgasse 1, Bern
2006 Eigentumswohnungen, Muri

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