Bauwelt

Stadt des neuen Bauwillens

Eine Ausstellung in Magdeburg informiert über das komplexe Zusammenspiel von Architektur, Gestaltung und Fotografie während der Weimarer Republik

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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    Der von Bruno Taut für die Stadtmöblierung entworfene Kiosk (Typ I) in einem Nachbau für die Ausstellung
    Foto: Forum Gestaltung/ Norbert Eisold (rechts), Rudolf Hatzold

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    Der von Bruno Taut für die Stadtmöblierung entworfene Kiosk (Typ I) in einem Nachbau für die Ausstellung

    Foto: Forum Gestaltung/ Norbert Eisold (rechts), Rudolf Hatzold

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    „Licht-Architektur“ am Albinmüller-Turm auf der Deutschen Theater-Ausstellung in Magdeburg 1927
    Foto: Forum Gestaltung/ Norbert Eisold (rechts), Rudolf Hatzold

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    „Licht-Architektur“ am Albinmüller-Turm auf der Deutschen Theater-Ausstellung in Magdeburg 1927

    Foto: Forum Gestaltung/ Norbert Eisold (rechts), Rudolf Hatzold

Stadt des neuen Bauwillens

Eine Ausstellung in Magdeburg informiert über das komplexe Zusammenspiel von Architektur, Gestaltung und Fotografie während der Weimarer Republik

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Die Moderne war keine nur auf das Bauhaus beschränkte Entwurfshaltung. Sie war eine breite Bewegung, die sich neben der neuen gestalte­rischen Linie vor allem durch ihre vielen visionären Konzepte von deutlich konservativeren Strömungen abhob: durch ihre innovativen Wohnsiedlungen, reformierten Schulen und ein Aufsehen erregendes Produktdesign. Im Zuge des von der Stiftung Bauhaus Dessau initiierten Verbund-Projekts „Große Pläne!“ gibt es in Sachsen-Anhalt in diesem Jahr mehrere Ausstellungen zu sehen. Die Ausstellung „Magdeburg – Reklame- und Ausstellungsstadt der Moderne“ im Forum Gestaltung in Magdeburg zeigt anhand von über 300 Exponaten einige bislang eher unbekannte Aspekte. Bruno Taut strukturierte während seiner Zeit als Stadtbaurat (1921–24) das Hochbauamt um. Sein „Aufruf zum farbigen Bauen“ avancierte dank der vielen daraufhin meist nach Entwürfen seines Mitarbeiters Carl Krayl bemalten Fassaden zum überregional beachteten Reklame-Coup. Parallel dazu ließ er zusammen mit einem einheimischen Buchhändler die gesamte Stadt handstreichartig mit expressionistisch gestalteten Typen-Kiosken möblieren. Ein rekonstruiertes Modell ist in der Ausstellung als Kassenhäuschen zu sehen.
Dieser „Farbenunfug“ wurde damals in Magdeburg jedoch eher ambivalent gesehen. Denn die Stadt vermarktete sich in den Zwanzigern mit ihren vielen dezidiert modernen Siedlungsbauten, Geschäftshäusern und öffentlichen Einrichtungen (wie der Stadthalle) als „Stadt des neuen Bauwillens“. Durch die permanent zur Verfügung stehende Elektrizität ergaben sich ganz neue Möglichkeiten der Gestaltung von Gebäuden und kompletten Stadträumen – mithilfe von Lichtreklamen und der Beleuchtung der Kaufhäuser und Ausstellungsbauten. Das breitenwirksamste Medium dieser Selbstdarstellung war die Fotografie. Daher wurde in der Hochbauverwaltung eine „Graphische Abteilung“ eingerichtet, die anfangs von mit der Bildsprache des „Neuen Sehens“ vertrauten Bauhäuslern geleitet wurde. Erst von Hanns Hoffmann-Lederer, später von Xanti Schawinsky, der die Abteilung zu einer Art Werbeagentur ausbaute und große Bereiche des städtischen Erscheinungsbildes durch Plakate, Architekturführer und Zeitschriften sowie wegweisende Ausstellungen prägte. Dabei etablierten sich die klaren, gekonnt in Szene gesetzten Linien der zeitgenössischen Bauten als allgemein verständliche Zeugnisse der sozialen,
zukunftsorientierten Modernisierung der Stadt.
Die Magdeburger Kunstgewerbe- und Handwerkerschule war für einige renommierte Künstler der damals weit verzweigten Avantgarde-Netzwerke eine fruchtbare Zwischenstation: Sie hat durch ihre Lehre ganze Schülergenerationen beeinflusst und der Stadt durch ihre prak­ti­schen Arbeiten wichtige Impulse gegeben. Der aus dem Atelier von Peter Behrens stammende, als „Vater des modernen Logos“ geltende Grafi­-ker und Architekt Wilhelm Deffke wurde für den Ausbau des Ausstellungsgeländes auf dem Rotehorn engagiert, er gestaltete aber auch die Reichszuckerausstellung (1925), für die er das berühmte Bienen-Logo entwarf, sowie die Deutsche Theaterausstellung (1927). Unter seiner Leitung wurde die Hochschule künstlerisch und organisatorisch reformiert und verstärkt in die Gestaltung der städtischen Ausstellungsvorhaben einbezogen. Walter Dexel knüpfte dagegen stilistisch an den russischen Konstruktivismus an. Er hatte vorher unter Ernst May als Grafiker für das „Neue Frankfurt“ gearbeitet, unterrichtete ab 1928 ebenfalls in Magdeburg und konzipierte für die Stadt ein neues, an der Frankfurter Reklameordnung orientiertes Werbekonzept mit kantigen Lichtsäulen für die Straßenbahnhaltestellen und klarer Gebrauchsgrafik. All dies wird in der Ausstellung mithilfe von Original-Entwürfen, Plakaten, druckgrafischen Arbeiten und (im Großformat neu abgezogenen) zeitgenös­si­schen SW-Fotografien dargestellt.

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