Bauwelt

Manfred Hegger 1946–2016

„Komplexität muss man aushalten“

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

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    Foto: Bence Zobor

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Manfred Hegger 1946–2016

„Komplexität muss man aushalten“

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

Es war im August 2005 nicht das erste Mal, dass ich mit Manfred Hegger sprach, aber es war das erste Mal, dass wir uns nahe gekommen sind. Es ging – worum sonst – um nachhaltiges Bauen im übergeordneten Kontext. Und übergeordnet hieß für Manfred Hegger wirklich übergeordnet. Alles hing mit allem zusammen, eine eindimensionale Sicht auf die Dinge ließ er nicht zu. Der Sachverhalt war einleuchtend aber kompliziert. Ich suchte nach Vereinfachung, Manfred Hegger entgegnete: „Komplexität muss man aushalten.“
Komplexität hat Manfred Hegger nicht nur ausgehalten, vielmehr hat er Komplexität in Gebautes umgewandelt. An der TU Darmstadt hat er sein Wissen und seine Haltung Studenten vermittelt, in unzähligen Vorträgen allen anderen. Dabei ging es dem Pionier für nachhaltiges Bauen nie nur um die energetische Perspektive. Immer hatte es etwas mit Baukultur, Architektur, Städtebau und mit der Gesellschaft zu tun – und wenn es sein sollte mit der ganzen Welt. „Was denn auch sonst“, hat er entgegnet, wenn es wieder einmal zu komplex erschien. Manfred Hegger dachte im globalen Maßstab und veränderte die Welt des Bauens mit nachhaltig Gebautem im realen Maßstab.
Das prägte sein berufliches und privates Leben. 1973, kurz nach seinem Architektur-Studium, ordnete die Bundesregierung den ersten von vier autofreien Sonntagen an. Die Ölkrise nötigte die Regierung dazu und Hegger fand seine Berufung: „Seitdem hat mich das Thema Energie in Zusammenhang mit Architektur und Städtebau nicht mehr losgelassen“, sagte er in einem Interview in der Bauwelt (36.2015). Es folgte eine einzigartige Karriere. Seit 1980 führte er gemeinsam mit seiner Frau Doris Hegger-Luhnen und mit Günter Schleiff das Büro HHS Planer und Architekten. Internationale Aufmerksamkeit erlangte er in den 90er Jahren mit dem Bau der Fortbildungsakademie Mont Cenis in Herne. Das Projekt – als Teil der Internationalen Bauausstellung Emscher Park – entstand in Zusammenarbeit mit den französischen Architekten Françoise-Hélène Jourda und Gilles Perraudin. 2001 übernahm er den Aufbau des Fachgebiets Entwerfen und Energieeffizientes Bauen an der TU Darmstadt. Manfred Hegger war eine der Schlüsselfiguren, die die Hochschule zu einer der wichtigsten Universitäten für zukunftsweisende Architektur und Städtebau in Europa machten. Diese Sichtbarkeit auch auf internationalem Niveau erlangte Manfred Hegger auch durch seinen zweimaligen Erfolg zusammen mit seinen Studierenden und Mitarbeitern beim Solar Decathlon in den USA, mit den Projekten Solarhaus (2007) und surPLUShome (2009).
Auch die jüngsten Projekte erreichten hohe Anerkennung. Mit dem Energiebunker in Hamburg machte er auf der Internationalen Bauausstellung 2013 deren energetischen Anspruch sichtbar. Es folgte das richtungsweisende Aktiv-Stadthaus in Frankfurt, ein mehrgeschossiger Wohnungsbau, das weltweit größte Plusenergiegebäude.
Manfred Hegger war von 2010 bis 2013 Präsident der DGNB, er hat wesentlich dazu beigetragen, dass die architektonische Qualität einen maßgeblichen Anteil an der Bewertung hat. Heute ist dies fester Bestandteil der Zertifizierung. Über seine Bauwerke hinaus bleibt sein einzigartiges Lebenswerk als Pionier des energieeffi­zienten und nachhaltigen Bauens, das sich nicht auf seine Arbeit im Büro beschränkte, sondern das sich durch sein Schaffen am Fachbereich Architektur und die Zusammenarbeit mit den Studierenden in die ganze Welt verbreitete.
Manfred Hegger blickte stets nach vorn und suchte nach interdisziplinären, großen Lösungen: „Architekten und Städtebauer wären gut beraten, wenn sie mit den Infrastrukturplanern und Energieversorgern zusammenarbeiten würden und Häuser und Quartiere planen, die Energie erzeugen“, forderte er. Das müssen wir nun allein hinbekommen. Manfred Hegger verstarb nach schwerer Krankheit am 29. Juni. Boris Schade-Bünsow

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