Bauwelt

Stadtplanung für Leipzig

Eine Ausstellung mit Zeichnungen von Hans-Dietrich Wellner ruft die Qualitäten ost-moderner Ensembles in Erinnerung

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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    Sachsenplatz mit Informationszentrum
    Zeichnung von 1969 Stadtarchiv Leipzig, Nachlass Hans-Dietrich Wellner

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    Zeichnung von 1969 Stadtarchiv Leipzig, Nachlass Hans-Dietrich Wellner

Stadtplanung für Leipzig

Eine Ausstellung mit Zeichnungen von Hans-Dietrich Wellner ruft die Qualitäten ost-moderner Ensembles in Erinnerung

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Er war ein begnadeter Zeichner. Jahrzehntelang übersetzte Hans-Dietrich Wellner (1934–2013) die Entwürfe aus dem Büro des Leipziger Chefarchitekten in anschauliche Pläne und Perspektivstudien. Seine oft publizierten Zeichnungen prägten – zusammen mit den Darstellungen seines Kollegen Wolfgang Müller – die öffentliche Wahrnehmung der DDR-Planungen für Leipzig. Das Stadtarchiv zeigt nun eine Ausstellung mit Originalen aus Wellners Nachlass. Entwürfe für das Gewandhaus, den Augustusplatz und die Messemagistrale sind neben vielem anderen zu sehen: Arbeiten, die die seinerzeitigen Architekturdiskurse bestens veranschaulichen.
In den 60er Jahren, als die Planungen immer großflächiger wurden, schufen die wichtigsten Bezirksstädte der DDR neue Stellen für Stadtarchitekten. Die Büros des Chefarchitekten (BCA) erarbeiteten Generalbebauungspläne für den Wohnungsbau und die angestrebte sozialistische Umgestaltung der Innenstädte. Viele Projekte entstanden in interdisziplinären Teams aus Architekten, Verkehrs- und Freiraumplanern und vielen weiteren Fachleuten, von Bautechnikern bis zu Ökonomen. Diese Kollektivstruktur – das Leipziger BCA hatte laut Gruppenfoto mehr als 70 Mitarbeiter – macht es heute oft schwer, den genauen Anteil der einzelnen Mitarbeiter an den Planungen herauszufiltern.
Hans-Dietrich Wellner studierte in Weimar Architektur. Viele Absolventen von dort etablierten sich als leitende Stadt- oder Bezirksarchitekten, Horst Siegel etwa, der 1967 den neu geschaffenen Posten des Leipziger Chefarchitekten übernahm. Wellner kam 1968 in das im Aufbau befindliche Büro seines ehemaligen Kommilitonen. Dort war er zunächst in der Abteilung „Stadtzentrum“ tätig. Es war jene euphorische Umbruchphase, als nach einer um Erhaltung der alten Innenstadt-Strukturen bemühten Zeit innerhalb von wenigen Jahren erste ostmoderne Neubauten, ein neuer Generalbebauungsplan (1970) sowie Planungen für das neue Gewandhaus und das Universitätshochhaus (heute City-Hochhaus) angefertigt wurden. Wellner war für die städtebauliche Grundkonzeption des „Sachsenplatzes“ (1968/69) zuständig – ein im Krieg zerstörtes Areal, das man anlässlich des 20. Jahrestags der DDR-Gründung unter Einbeziehung der Altbauten an der Katharinenstraße neu gestaltete: mit Freiflächen, Pavillons, aufwendigen Brunnenanlagen und einem Informationszentrum („Leipzig-Information“). In Kombination mit den benachbarten Brühl-Bauten sollte dort ein neues Wohnquartier mit viel Grün entstehen – ein städtebauliches Konzept, das in dieser Top-Lage wohl nur im Sozialismus denk- und realisierbar war.
Nach dem radikalen Umschwung von Ulbrichts Prestigeprojekten zu Honeckers Wohnungsbauprogramm war Wellner in der Abteilung „Komplexer Wohnungsneubau“ für die Planung von Leipzig-Schönefeld (1971–76) verantwortlich und anschließend maßgeblich an der Entstehung von Leipzig-Grünau beteiligt. Die für mehr als 100.000 Einwohner geplante Neubausiedlung, neben Berlin-Marzahn und Halle-Neustadt eine der größten des Landes, hatte selbst für DDR-Maßstäbe eine neue Dimension. Für seine Leistungen bei der Planung der Wohnkomplexe 1 bis 4 wurde Wellner 1984 zusammen mit Georg Eichhorn, Walter Havlicek, Hellmut Neumann, Wolfgang Scheibe und Günter Walther mit dem Architekturpreis der DDR ausgezeichnet. 1990, nach Auflösung des Büros des Chefarchitekten, wechselte er ins neu gegründete Stadtplanungsamt, wo er bis zu seiner Pensionierung im „Sachgebiet Grünau“ tätig blieb.
Nach der Wende galt der Sachsenplatz mit seinen kleinteiligen Strukturen als „architektonischer Sperrmüll“. Er wurde zu weiten Teilen neu bebaut (u.a. mit dem Museum der bildenden Künste), sein Name verschwand aus dem Kataster. In Leipzig-Grünau kann man die ursprüngliche städtebauliche Intention heute nur mehr erahnen. Viele der Hochhäuser, die die Wohnkomplexe strukturierten, wurden beim „Stadtumbau Ost“-Programm abgerissen. Hans-Dietrich Wellner hat ständig gezeichnet. Das belegen in der Ausstellung unzählige Freihand-Skizzen, die er in seiner Freizeit angefertigt hat. Er hatte ein enormes Gespür für die räumlichen Zusammenhänge der Bauvorhaben und die Atmosphäre der geplanten Freiräume. Gerade weil so viele der Ensembles stark verändert oder beseitigt wurden, sind die im Stadtarchiv präsentierten Zeichnungen neben ihrer künstlerischen Qualität auch als bauhistorische Dokumente interessant.
Fakten
Architekten Wellner, Hans-Dietrich (1934–2013)
aus Bauwelt 8.2015
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