Bauwelt

Modulmania contra Weiterbau

Seit Beginn des Jahres haben Institutionen in vier Bundesländern Werk­stät­ten und Wohnungs­­bau-Wettbewerbe ver­anstaltet. Was hat uns das gebracht?

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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    Preis „Wohnraum schaffen“ btp architekten ergänzen die Zeilen im Virchowweg Hannover mit Bauten in Holztafelbauweise und ermöglichen eine flexible ­Gestaltung der Fassaden.
    Abb.: Architekten

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    Preis „Wohnraum schaffen“ btp architekten ergänzen die Zeilen im Virchowweg Hannover mit Bauten in Holztafelbauweise und ermöglichen eine flexible ­Gestaltung der Fassaden.

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    Preis „Wohnraum schaffen“ N2M + fehlig mosh­feghi architekten haben in Sarstedt am Standort Bleekstraße vier Baukörper in die umgebende Bebauung eingefügt. Zwei Winkelgebäude mit vorgelagerten Laubengängen sollen mehr Kommunikation ermöglichen.
    Abb.: Architekten

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    Preis „Wohnraum schaffen“ N2M + fehlig mosh­feghi architekten haben in Sarstedt am Standort Bleekstraße vier Baukörper in die umgebende Bebauung eingefügt. Zwei Winkelgebäude mit vorgelagerten Laubengängen sollen mehr Kommunikation ermöglichen.

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Modulmania contra Weiterbau

Seit Beginn des Jahres haben Institutionen in vier Bundesländern Werk­stät­ten und Wohnungs­­bau-Wettbewerbe ver­anstaltet. Was hat uns das gebracht?

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Gut achtzig Millionen Menschen leben heute in Deutschland, so viel wie vor zwanzig Jahren. Seitdem stieg die Zahl der Wohnungen von 35 auf 41 Millionen – der Zuwachs entspricht rein rechnerisch fast dem Wohnungsbestand der Niederlande. Statistiken weisen derzeit einen Leerstand von gut zwei Millionen Wohnungen und Eigenheimen in Deutschland aus, bereinigt um sogenannte Schrottimmobilien, zudem ein Leerstand von mehr als acht Millionen Quadratmetern (umnutzbarer) Verwaltungsfläche. Mit derartigen Zahlen wartete 2015 der Publizist ­Daniel Fuhrhop in seiner Streitschrift „Verbietet das Bauen“ auf und sah in der neuerlich beklagten Wohnungsnot wirtschaftsgelenkte Eigen­interessen. Das ist eine Sicht der Lage.
Spätestens mit Angela Merkels „Wir schaffen das“, geäußert in der kurzen Zeit unregulierter Flüchtlingszuströme 2015, wurde die Wohnungsfrage zum humanitären Imperativ: Es fehlt nicht nur an Wohnraum für Flüchtlinge, die hier bleiben werden, sondern generell für Haushalte mit geringem Einkommen, Studierende, Alleinerziehende, sogenannte Randgruppen – so die an­dere Sicht der Lage. Die Architekturbiennale, Workshops und Wettbewerbe widmen sich seitdem dem Thema Wohnungsbau. Um den Jahreswech­sel 2015/16 veranstaltete der Deutsche Werkbund Bayern, zusammen mit zahlreichen Partnern, die Ideenwerkstatt „Wohnraum für alle!“. ­­Im offenen Dialog hieß man neben Vorschlägen von Planern auch Ideen von Künstlern, Studentengruppen, Bürgermeistern oder Bauunternehmen willkommen (Bauwelt 14.2016). Ein 116 Seiten ­dicker Katalog erschien mit der Zielformulierung, „Bauprojekte auf den Weg zu bringen“. Auch ­naheliegende Umnutzungsvorschläge und vielfältige Modelle des Ausbaus waren darunter.
Nach Neubauten rief wenige Monate später eine Auslobung in Rheinland-Pfalz. Das Bauforum, ein Zusammenschluss aus der Investitions- und Strukturbank, den kommunalen Spitzenver­­­­bänden Berufskammern, Wohnungswirtschaft, Hochschulen und weiteren Akteuren, lobte ­ge­- ­­meinsam mit dem Finanzministerium den nicht­offenen Ideenwettbewerb „Sozial–Schnell– Gut“ aus. Zugelassen waren Architekten und bauvorlageberechtigte Ingenieure aus der EU und der Schweiz. 26 Teilnehmer reichten Beiträge ­ein: standortunabhängige Modelle für seriell vorgefertigten und schnell zu erstellenden Wohnungsbau, typologisch als Reihen- und Doppelhaus oder als Geschosswohnungsbau, wenn möglich, gerne für beides. Obwohl als Ideenwettbewerb ohne Realisierungsbekundung deklariert, waren neben dem zeichnerischen Pensum technische Erläuterungen bis hin zum Lüftungskonzept, ­eine Kostenschätzung gemäß DIN 276 und alternative Bauzeitenpläne für konventionelle wie vorgefertigte Bauweisen verlangt. Das Preisgericht unter Vorsitz des Wuppertaler Architekten Michael Müller ermittelte fünf Projektvorschläge für die engere Wahl und kürte daraus je drei Preise für die Kategorien Reihen-/Doppelhaus und Mehrfamilienhaus.
Die Initiative der Architektenkammern in Niedersachsen und Bremen gingen noch einen Schritt weiter in Richtung Realisierung. Sie taten sich mit dem Verband der Immobilienwirtschaft und sechs Wohnungsbaugesellschaften zu ­­dem für beide Bundesländer offenen Architekten-Wettbewerb „Wohnraum schaffen“ zusammen. Was zumindest die Verbände der Landschafts- und Innenarchitekten sowie einige Stadtplaner monierten, die ihre Disziplinen marginalisiert sahen. In der ersten Phase des Wettbewerbs galt es ähnlich wie in Rheinland-Pfalz standortunabhängig ein flexibles Wohnkonzept zu entwickeln und in einem exemplarischen Verband von 20 bis 30 Wohnungen unterschiedlicher Größen nachzuweisen. Die Auslobung ­betonte, dass aktuell kein wirtschaftlicher oder ökologischer Vorteil modularer Bauweisen gegenüber konventionellen bestehe und überließ den Teilnehmern die Wahl. In der zweiten Phase war die Realisierbarkeit für ein vom Preisgericht zugeteiltes Grundstück zu konkretisieren. Aus 48 Teams der ersten Phase gingen 19 in die zweite. Jeweils drei bis vier Systementwürfe wurden den sechs, von den Wohnbaugesellschaften in das Verfahren eingebrachten Grundstücken zugeordnet. Das Preisgereicht unter Vorsitz von Much Untertrifaller, Bregenz/Wien, vergab vier Preise und acht Anerkennungen.

Möglichkeiten von Um- und Weiterbau

Die rheinland-pfälzischen Prämierungen stehen für den Charme des Systematischen, da ausschreibungsbedingt, allesamt in Modulbauweisen und ohne städtebauliche Bindungen gedacht sind. Mit Yes Architecture aus München ist ein schon durch die bayerische Ideenwerkstatt erfahrener Preisträger dabei. Die Drei-Meter-Würfel, die sie in Bayern zu zweigeschossigen, über Außentreppen begehbare Bauplastiken ­­mit hohem Gemeinschaftsappeal arrangierten, decken in Rheinland-Pfalz das geforderte Spektrum vom Reihen-/Doppelhaus bis zum Viergeschosser-Mehrfamilienhaus ab. Sie erlauben freie Gruppen, blockhafte Baulückenschließungen und sollen gar in Hanglagen eingeschoben werden können.
Die norddeutschen Kollegen hatten hingegen in Nachverdichtungs- und Konversionsflächen konkrete, städtebaulich eher unappetitliche Situationen zu bewältigen. Ihre Lösungen reichen von Stadtvillen-artigen Solitären über Randschließungen bis zu Laubenganghäusern – die zu erwartende Bandbreite. Allerdings mag sich ihre pragmatische Pflichterfüllung auszahlen: Die Auslobung enthielt das Auftragsversprechen der Wohnbaugesellschaften, bei einer Reali­sierung Planungsleistungen an die Preisträger ­­zu vergeben, ein Lizenzmodell für weitere Bauträger ist beabsichtigt.
Beide Wettbewerbe propagieren den Neubau. Aber hat die bayerische Ideenwerkstatt nicht auch die Möglichkeiten des Um- und Weiterbauens aufgezeigt? Das Statistische Bundesamt wies kürzlich für die erste Jahreshälfte 25.000 Genehmigungen für neue Wohnungen aus, die an oder auf bestehenden Gebäuden entstehen sollen. Experten gehen von 1,1 Millionen derart möglicher Wohnungen aus, 50.000 etwa in Berlin. Sie böten ökologische und ökonomische Vorteile gegenüber dem Neubau – keine zusätzliche Flächenversieglung, keine Grunderwerbssteuer, erschlossene Ressourcen, verkürzte Bauzeit. Bauministerin Barbara Hendricks hat dies erkannt und will mit Bundesbauten vorangehen. Eine glaubwürdige Wohnbaudiskussion wird sich ­diversifizieren müssen, wird künftig Neubau (besonders nach Abriss von Bestandswohnbauten wie im Wettbewerbsbeispiel Hannover Petit-Couronne-Straße), Umnutzung und Weiterbau sorgfältig abwägen müssen. Sonst dient sie sich nur wirtschaftlichen Interessen an.

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