Bauwelt

Erhalt von Gestalt und Gehalt

Münchner Symposium zur Nachkriegs­moderne

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

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    Ansicht von der Karlstraße am südlichen Rand des Münchner Kunstareals, darunter die Aula im aktuellen Zustand
    Fotos: Archiv Franz Ruf © Baumeister Heft 12.1957

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    Ansicht von der Karlstraße am südlichen Rand des Münchner Kunstareals, darunter die Aula im aktuellen Zustand

    Fotos: Archiv Franz Ruf © Baumeister Heft 12.1957

Erhalt von Gestalt und Gehalt

Münchner Symposium zur Nachkriegs­moderne

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

Es ist schlicht ein Jammer, wie München schon seit Längerem mit seinen relativ wenigen bedeutenden Bauten aus der Nachkriegszeit umgeht. Bereits 1989 wurde das ehemalige Landesversorgungsamt der Brüder Luckhardt dem Erdboden gleichgemacht, obwohl es vom damaligen bayerischen Generalkonservator Michael Petzet als „Markstein der Münchner Moderne“ qualifiziert worden war (Bauwelt 19.1989). Im Jahr 2005 folgte das Ensemble der „Alten Chemie“ von Albin Steininger, Hanna Löv und Hannes Feldner, das der Luxuswohnanlage „Lenbachgärten“ weichen musste. Vier Jahre später wurde das von Detlef Schreiber in bester Mies-Tradition entworfene Verwaltungsgebäude des Süddeutschen Verlags abgerissen, um dem Kommerzquartier „Hofstatt“ Platz zu machen. Und falls kein Wunder geschieht, sind auch die Tage des früheren Osram-Gebäudes von Walter Henn gezählt, da es nach dem kürzlich entschiedenen Wettbewerb für die neue Überplanung des Geländes nun doch nicht erhalten werden soll. Interessant dabei ist die Meldung der Süddeutschen Zeitung vom 29. Dezember 2015, dass sich die Stadtbaurätin Elisabeth Merk im Preisgericht mit ihrem Vorschlag, das Bürohaus aus dem Jahr 1965 in das neue Wohnquartier zu integrieren, nicht habe durchsetzen können.
Vor diesem Hintergrund wird klar, weshalb die Architekturfakultät der Hochschule München für den Bestand und die Funktion ihres Gebäudes kämpft. Im Sinne einer Zentralisierung aller Einrichtungen hat das Präsidium der Hochschule nämlich beschlossen, auch die Architekturfakultät stadtauswärts auf den Campus an der Dachauer Straße zu verlegen. Diese Entscheidung ist aus mehreren Gründen widersinnig. Vor allem deshalb, weil die als „Staatsbauschule“ Mitte der 50er Jahre errichtete und um 1970 erweiterte Gebäudegruppe von Rolf ter Haerst, Franz Ruf und Adolf Seifert ihre Zwecke bis heute optimal erfüllt. Das mehrfach sanft sanierte Bauwerk befindet sich in einem noblen Zustand, auch wenn es demnächst grundlegend ertüchtigt werden muss. Genau diese kommende Aufgabe spricht aber dafür, dass die Fakultät in ihrem Haus bleibt, welches der Architekturführer von Winfried Nerdinger als „eines der wenigen Beispiele für konsequent moderne Architektur im Rahmen des Münchner Wiederaufbaus“ hervorhebt. Eine Mustersanierung könnte ein lehrbegleitendes Vorzeigeprojekt werden.
Unter Leitung von Andreas Meck, Architekturpreisträger der Stadt München 2015, und Silke Langenberg, Professorin für Städtebau, hat die Fakultät schon seit Monaten auf den Problemfall hingewiesen – auch durch einen Umzug der Professoren und Studenten durch die Maxvorstadt, bei dem sich alle benachbarten Institutionen solidarisch erklärten: die Architekturfakultät der TU München wie das Architekturmuseum, der BDA Bayern wie die Architekturgalerie. Parallel dazu wurde eine Petition ins Netz gestellt, die fast 7000 Unterschriften gefunden hat und noch im Januar an das Ministerium für Wissenschaft und Kunst übergeben werden soll. Höhepunkt der Aktivitäten war vor dem Jahreswechsel ein Symposium zur „Nutzungskontinuität und Bedeutung Münchner Nachkriegsarchitektur“. Dabei gelang es, die Relevanz des Fakultätsgebäudes in einem sehr umfassenden Kontext darzustellen: vom Städtebau bis hin zur Materialästhetik, von den „Stoffströmen“ beim Bauen bis hin zum Bestand als „wichtigster Ressource“ für die Zukunft.
Winfried Nerdinger erläuterte, dass beim Münchner Wiederaufbau in der Altstadt „unser liebes altes München“ bewahrt werden sollte und moderne Architektur nur außerhalb zugelassen war. Mit dem Fakultätsgebäude befasste sich eingehend Ákos Moravánsky, der an der ETH Zürich wie auch in Budapest lehrt. Er rühmte an ihm die „typisch münchnerische“ Multimaterialität ebenso wie die Polyphonie der Farben und die Zartheit der Konstruktion mit schlanken Profilen. Den großen Lichthof und die mit Holz ausgekleidete Aula verglich er mit „humanen Räumen“ in Skandinavien. Sein Resümee: das Gebäude strahlt „Heiterkeit und Wärme“ aus. Klaus Jan Philipp von der Universität Stuttgart stellte gleichzei-tig entstandene Bauten für Architekturfakultäten von Braunschweig bis Darmstadt vor. Sein Plädoyer lautete, Gebäude, „die sich im Gebrauch bewährt haben“, weiterhin entsprechend zu nutzen.
Am Ende der Diskussionen, an denen auch Referenten wie Thomas Will von der TU Dresden und der bayerische Generalkonservator Mathias Pfeil teilnahmen, war man sich einig, dass nicht nur das Gebäude, sondern auch seine Funktion für die Fakultät geschützt werden müsse. Es gebe keinen triftigen Grund, diese Einheit von Gestalt und Gehalt aufzugeben. Dass der Freistaat Bayern als Eigentümer übrigens Schwierigkeiten hätte, das Bauwerk für andere kulturelle Zwecke zu verwenden, wurde an kolportierten Überlegungen deutlich, die jedoch nicht mehr aktuell sein sollen: Weder für die Musikhochschule noch für die Staatliche Graphische Sammlung würde sich die Architekturschule eignen.

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