Bauwelt

Zwei Protagonisten der Nachkriegsmoderne in Hannover

Ausstellungen zu den Architekten Ernst Zinsser und Heinz Wilke

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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    Hotel Luisenhof in Hannover, 1952, Arch.: Ernst Zinsser
    Foto: © LUH, Julian Martitz

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    Hotel Luisenhof in Hannover, 1952, Arch.: Ernst Zinsser

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    Eingang Vortragszentrum Neue Messe ­Düsseldorf, 1971, Arch.: Heinz Wilke
    Foto: © Bildarchiv Foto ­Marburg/Helmut Trexler

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    Eingang Vortragszentrum Neue Messe ­Düsseldorf, 1971, Arch.: Heinz Wilke

    Foto: © Bildarchiv Foto ­Marburg/Helmut Trexler

Zwei Protagonisten der Nachkriegsmoderne in Hannover

Ausstellungen zu den Architekten Ernst Zinsser und Heinz Wilke

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

„Das Wunder von Hannover“ titelte 1959 das Hamburger Magazin Der Spiegel und stellte Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht und seine Vision einer modernen, autogerechten Stadt vor. Hille­brecht wusste aber auch, dass ein Stadtbaurat nur ­geringen Einfluss auf die architektonische Ausformulierung der einzelnen Bauten in einem städtebaulich vorgegebenen System hat. Er vertraute deshalb auf eine Riege lokaler Architekten, die, so Hillebrecht, zwar alle ihre eigene Handschrift pflegten, jedoch eine gemeinsame Sprache sprachen.
Zu den frühen und stadtbildprägenden Architekten im Hannover der Nachkriegszeit gehörte auch der Paul-Bonatz-Schüler Ernst Zinsser. Master-Studierende und Lehrende am Institut für Entwerfen und Gebäudelehre der Leibniz-Universität Hannover unter Leitung von Zvonko Turkali sowie die niedersächsische Architektenkammer widmen Zinsser derzeit eine Werkschau. Aus seinem umfangreichen Werk wählten sie 16 Bauten aus, um sie in großmaßstäblichen Modellen, ganz handwerklich aus Finnpappe, darzustellen: als Baukörper, markantes Detail oder als Schnitt, der das Innenraumgefüge offenbart. Allein schon diese zeitaufwendige aber stimmige Form der Annäherung an Zinssers Werk berührt in Zeiten durchrationalisierter Studiengänge und der omnipräsenten Renderings auf fast poetische Weise.
1904 in Köln geboren, entzog sich Ernst Zinsser als junger Architekt dem NS-Bauen, als er 1935 den Staatsdienst in Berlin quittierte und zunächst dort, ab 1936 dann in Hannover sein eigenes Architekturbüro führte. Einen frühen Auftrag erhielt er 1937 von seiner Schwester und ihrem Ehemann, Konrad Adenauer, für deren Haus in Rhöndorf bei Bonn. Dieses traditionalistische Haus an einem ehemaligen Weinberg lässt vor allem in seinem biederen Interieur noch nicht die klare und elegante Formensprache erahnen, die Zinsser in der Nachkriegsmoderne dann anschlug.
Als Hannover ab 1947 zum Standort einer westdeutschen Industrie- und Exportmesse aufgebaut wurde – auf Zinssers Vorschlag –, war es etwa das Messehotel Luisenhof gegenüber dem Opernhaus, das er 1952 als Ergänzung eines historistischen Gebäudes wiederaufbaute. Ein kubischer Baukörper scheint über einer zweigeschossig verglasten Ladenzone zu schweben, ein kleines ausschwingendes Vordach markiert den Eingang. Der Rapport aus 30 kleinen Balkonen an der Südwestfassade lässt gar ein wenig an den Ateliertrakt des Dessauer Bauhauses denken.
Als Zinssers Hauptwerke gelten der Wiederaufbau des Uni-Hauptgebäudes von 1956 und, ganz in der Nähe am Königsworther Platz, das Verwaltungsensemble der Continentalwerke von 1952/53, das seit 1995 ebenfalls der Universität dient. Die Universität verdankt der gläsernen Überdachung des Innenhofs ihres Altbaus, spielerisch getragen von zwölf filigranen Dreier-Stützenbündeln, einen ungemein luftigen, vielleicht gar den originellsten Veranstaltungsort der Stadt. Und das Vorurteil schematischer Rasteritis der Nachkriegsmoderne straft das fein gestufte Fassadenrelief der Continentalgebäude Lügen. Mit zwei Natursteinsorten, gelben Klinkern und dunkler Keramik vermag das Relief vor allem auf dem Hochhaus seine strukturelle ­Viel­­­­- falt zu offenbaren. Von 1947 bis 1971 wirkte ­Zinsser als Professor für Entwerfen und Gebäudekunde im Fachbereich Architektur, er verstarb 1984 in Hannover.
Eine Generation jünger ist der Architekt Heinz Wilke (1927–1992), den der Deutsche Werkbund Nord mit einer Ausstellung bauzeitlicher Fotodokumente würdigt. Neben den Flughäfen Hannover, Wien und Moskau-Scheremetjewo waren es komplexe Verwaltungs- und Verkehrsbauten, die Wilke oft mit typisierten Stahlkonstruktionen realisierte. Die Bauten sprechen die Sprache der 70er Jahre, etwa mit strukturiertem Sichtbeton, dunklem Spiegelglas oder polygonalem Grundriss, orientieren sich an amerikanischen Leit­bildern wie Paul Rudolph. Anders als Zinssers längst kanonisierte diskrete Eleganz, die er auch in seinen späteren Bauten nach 1970 weiter pflegte, polarisieren Wilkes Bauten in ihrer wuchtigen Präsenz und ringen um die ihnen gebührende Anerkennung.

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