Bauwelt

Wien wohnt bezahlbar

Zwei Drittel der 1,8 Millionen Wiener leben in einer geförderten Wohnung oder einer Gemeindewohnung – hundert Jahre soziale Wohnungs- baupolitik machen es möglich. Eine Ausstellung im Architekturforum Aedes in Berlin präsentiert das „Wiener Modell“

Text: Bittner, Franziska, Berlin

Wien wohnt bezahlbar

Zwei Drittel der 1,8 Millionen Wiener leben in einer geförderten Wohnung oder einer Gemeindewohnung – hundert Jahre soziale Wohnungs- baupolitik machen es möglich. Eine Ausstellung im Architekturforum Aedes in Berlin präsentiert das „Wiener Modell“

Text: Bittner, Franziska, Berlin

Landauf, landab wird darüber diskutiert, wie neuer bezahlbarer und gleichzeitig qualitätvoller Wohnraum entstehen kann. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist nicht allein durch das enorme Bevölkerungswachstum in vielen Städten angespannt (verstärkt durch den Zuzug von Geflüchteten), sondern auch durch die steigende Zahl von Wohnungen, die von Mietraum in Eigentum umgewandelt wurden und werden. Neue Lösungen für die Gestaltung und den Bau von Wohnungen müssen her, aber wie?
Die österreichische Hauptstadt macht vor, wie es gehen kann. Das „Wiener Modell“ zeigt Alternativen im Wohnungsbau auf. Vor diesem Hintergrund hat das Architekturforum Aedes in Berlin den Stadtrat für Wohnbau und Stadtentwicklung der Stadt Wien, Michael Ludwig, eingeladen, das Konzept zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen. Auf Baustellengerüsten, die den Ausstellungsraum bei Aedes unterteilen, sind Plakate und Bildschirme installiert. Die Wanderausstellung, die zuvor u.a. in New York, Sofia, Riga, Istanbul und Hongkong zu sehen war, dokumentiert die Sicht der Donaumetropole auf ihre Stadtbaupolitik der letzten hundert Jahre.
Das Wiener Modell kann auf einer Geschichte sozialer Wohnbaupolitik aufbauen, die bis in die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurückreicht. Zur Zeit des „Roten Wien“ (1919–1934) ließ die damalige sozialdemokratische Stadtregierung mehr als 65.000 kostengünstige Wohnungen bauen. Der Karl-Marx-Hof, 1927–1933 vom Wiener Stadtbaumeister Karl Ehn errichtet, ist die bekannteste Wohnanlage dieser Zeit. Die Tradition des sozialen Wohnungsbaus blieb in Wien, mit Ausnahme des Zweiten Weltkriegs, ungebrochen. Als andere Städte in Zeiten klammer öffentlicher Kassen längst Grundstücke und Wohnhäuser verkauften, behielt Wien seinen Bestand und unterstützt bis heute soziale Wohnbauprojekte – von einzelnen Wohnhäusern bis hin zu großen Siedlungen.

Von Architekturqualität bis zu sozialer Nach­haltigkeit

Wie wird im Rahmen des Wiener Modells entschieden, welche Projekte gefördert werden und welche nicht? Auf Grundlage des Stadtentwicklungsplans, der alle zehn Jahre angepasst wird, initiiert die Stadt Bauträgerwettbewerbe. Jedes Projekt wird von einer Jury, die aus Architekten, Stadtplanern, Soziologen und Ökonomen besteht und alle zwei Jahre neu gewählt wird, nach vier Kriterien bewertet: planerische und architektonische Qualität, Ökologie, Ökonomie und soziale Nachhaltigkeit. Nicht zuletzt spielt die Einbindung der Bevölkerung in die geförderten Projekte eine wichtige Rolle; großer Wert wird darauf gelegt, die Bürger von Beginn an in die Konzeptentwicklung einzubeziehen.
Gefördert wurde beispielsweise das „Stadthaus für alternative Lebensentwürfe“ in der Seestadt Aspern, das in Kooperation mit „que(e)r­­bau“ entstanden ist, einer Baugruppe homo-, bi- und transsexueller Menschen. Das architektonische Konzept des Hauses basiert auf Wohnmodulen, die zu größeren Einheiten oder Gemeinschaftsappartements gekoppelt werden. Ein mehrgeschossiges Atrium dient als „Kommunikationszentrum“. Nicht jeder ist auf der Suche nach einem derart kollektiven Wohnmodell. Das „Smart-Wohnbauprogramm“ etwa richtet sich an junge Familien, Paare, Alleinerziehende und Singles. Im Sonnwendviertel, dem neuen Stadtquartier am neuen Hauptbahnhof, werden 116 Wohneinheiten als „Smart Wohnungen“ vermietet: kleine, kompakte Wohnungen mit einem Qaudratmeterpreis von maximal 6,10 Euro.
Wie kann das Wiener Modell angesichts der aktuellen Herausforderungen, vor denen viele europäische Städte stehen, zukunftsfähig bleiben? Mit dieser Frage wird sich bis 2022 die Anfang dieses Jahres gestartete Internationale Bauausstellung Wien unter dem Titel „Neues soziales Wohnen“ beschäftigen.

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